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Männer auf Zeit

■ Früher haben männliche Choreographen Ballerinen über die Bühnen tippeln lassen. Heute interessieren sie sich für sich selbst.

In ihrer Jugend mussten sie sich oft die Häme durch Mitschüler gefallen lassen. Doch diese Jungen mit dem ungewöhnlichen sportlichen Faible wollten nicht Fußball spielen. Und stumpf im Kreis der LeichtathletInnen herumlaufen wollten sie auch nicht. Sie wollten tanzen – zur Musik oder einfach so. Und manche von ihnen haben einen Beruf aus ihrem Faible gemacht – mit zum Teil großem Erfolg, wie beim nächsten Tanzfestival „Tanz Bremen“ (früher „Tanzherbst“) im März zu bestaunen sein wird.

„Das Thema Männer im zeitgenössischen Tanz hatten wir schon länger im Kopf“, sagt die Festival-Organisatorin Susanne Schlicher bei der Präsentation des Programms. Sie denkt dabei aber weniger an die sicher weit verbreitete Erfahrung aus Kindheit und Jugend vieler Tänzer. Ihr und ihren Co-OrganistorInnen Birgit Freitag und Honne Dohrmann ist vielmehr bei den Sichtungen aufgefallen, dass es immer mehr reine Männer-Compagnien gibt. Und auch das Solo ist längst keine Frauen-Domäne mehr. „Immer häufiger setzen männliche Tänzer das Interesse an der Biographie in einer Choreographie um“, so Schlicher. Und das ist längst nicht mehr nur ein Thema schwuler Choreographen, die – wieder mal – zuerst die subjektive Sicht zur Kunst gemacht haben.

In dem aus fast 20 Vorstellungen sowie aus Diskussionen, Vorträgen und Filmaufführungen bestehenden Festivalprogramm sind diese neuen Männersichten vom 3. bis zum 12. März auf unterschiedliche Weise zu erleben. Der Norweger Jo Stromgren etwa deckt in seiner multimedialen Aufführung die „Masculine Mysteries“ auf. Oder in einem Doppelprogramm zeigen der Portugiese João Fiadeiro und das Tanzpaar Angela Guerreiro und Marc Rees zwei ganz verschiedene Auseinandersetzungen mit dem Thema und ihren Biographien. Die US-Amerikanerin Dianne Torr bietet schließlich Frauen einen besonderen Zugang an: In ihrem Workshop „Männer auf Zeit“ können die Teilnehmerinnen immerhin motorisch das Geschlecht wechseln.

Weniger mit dem Hauptthema zu tun hat allerdings das Eröffnungsgastspiel: Mit der Stephen Petronio Company gastiert eines der renommiertesten US-Tanzensembles in Bremen und zeigt neben älteren Stücken eine neue Choreographie als europäische Erstaufführung. Die OrganisatorInnen, die sich nach der ersten Verlegung des Festivals vom Herbst ins Frühjahr 1999 für den neuen Namen „Tanz Bremen“ entschieden haben, würden da gerne mehr bieten.

Doch Erst- oder Uraufführungen müssen viel eher „eingekauft“ werden. Susanne Schlicher und Co. sind zwar froh, dass sie Förderungszusagen für den 350.000-Mark-Etat inzwischen in der Tasche haben und somit das bislang größte Festival auf die Beine stellen können. Doch mit dem gleichen Etat ließe sich bei längerer Planungszeit ein Programm organisieren, das auch überregional viel mehr Ausstrahlungskraft hätte.

Die regionale Tanzszene indes arbeitet regelrecht auf das Festival hin: Drei Programme mit Bremer Kurzproduktionen sowie ein Programm namens „Junge Bühne“ von jungen ChoreographInnen in Bremen sind geplant. ck

Tanz Bremen vom 3. bis 12. März 2000. Karten gibt's jetzt im Vorverkauf – unter anderem beim Theater und beim Ticket Service Center (TSC). Kontakt Tel.: 76 876

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