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Mit Sammeltaxis nach Kreuzberg

Der türkische Unternehmer Bülent Burma vermietet Kleinbusse, Nutzungsidee inklusive. 750 werbefinanzierte Sammeltaxis sollen ab Anfang Februar durch die Stadt kutschen, Fahrgäste könnten umsonst mitfahren ■ Von Kirsten Küppers

Laufkundschaft gibt es hier kaum. Die Autovermietung Fair Car-Rent versteckt sich im ersten Stock eines verwaisten sozialen Wohnungsbaus am Kottbusser Tor, die schlichte Ladenwohnung erreicht man per Aufzug oder über eine verregnete Außentreppe. Doch Geschäftsführer Bülent Burma hat das Zeug dazu, sich in Szene zu setzen.

Seit seiner Ankündigung letzter Woche, Sammeltaxis ähnlich dem türkischen Dolmuș in den Berliner Verkehr zu schleusen, klingeln die Handies in dem kleinen türkis gestrichenen Büro immerzu. Der 26 Pkws und Kleinbusse umfassende Fuhrpark ist neuerdings zu 40 Prozent belegt, die Sekretärin versprüht tüchtige Betriebsamkeit, jetzt will auch noch AutoBild ein Interview – die Sache läuft.

Burma schmiegt sich gutgelaunt in seinen Stuhl. Ohne pfiffige Einfälle brauche man schließlich gegen die Konkurrenz großer Autovermieter wie Sixt oder Avis gar nicht anzutreten, sagt der 40-jährige Türke und zündet sich strotzend vor stolzem Unternehmertum eine Davidoff-Zigarette an. Inzwischen plaudert er über seine Geschäftsidee nicht mehr viel aus. Der Konkurrenz wegen. „Die warten doch nur auf einen Fehler von mir“, sagt er kämpferisch.

Und den will Burma vermeiden. Türkische Dolmuș-Taxis fahren ohne festen Fahrplan bestimmte Routen ab. Wer mitfahren will, stellt sich winkend an den Straßenrand und steigt aus, wo er will. Seit Burma gegenüber der Berliner Zeitung etwas von einem abgewandelten Dolmuș-Konzept und 1,50 Mark pro Fahrt in einer privaten Buslinie zwischen Wedding und Kreuzberg plapperte, sind die Berliner Taxifahrer gegen soviel südosteuropäischen Wildwuchs in Hab-acht-Stellung. „Sowas ist im deutschen Personenbeförderungsgesetz nicht vorgesehen“, meint der stellvertretende Vorsitzende des Berliner Taxiverbandes, Wilfried Hochfeld, sauer. „Das ist völlig unrealistisch, weil der das nie genehmigt bekommt“.

Auch die Verkehrsverwaltung des Senats reagiert verschreckt. „Man kann nicht einfach einen Bus kaufen und Busfahrer spielen“, erklärt Sprecherin Petra Reetz streng. „Es gibt da strikte Beförderungs- und Sicherheitsbedingungen für eine Genehmigung.“ Trotzdem sei es interessant, dass eine solche Geschäftsidee aufkomme. Für die jetzigen Bewirtschafter sei das ein Hinweis auf den kommenden europäischen Wettbewerb und die Öffnung der Märkte. „Wenn die öffentliche Hand 2007 europaweit ausschreibt“, so Reetz, „muss die BVG beweisen, dass sie attraktiver ist als etwa ein finnischer Busunternehmer.“

Burma hat sich sowieso alles ganz anders gedacht. Schließlich hat der ehemalige Versicherungsagent, Immobilienmakler, Restaurant-, Musik- und Tavernenbetreiber die letzten zwei Jahre das Personenbeförderungsgesetz durchgeackert. „Das ist wasserdicht. Da gibt es keine Nische für Sammeltaxilinien“, weiß er längst. Darum will er nun lediglich 750 Kleinbusse vermieten. Diese sollen außen mit Werbung beklebt sein. Innen laufen über ein Funknetz auf einem an der Rückenlehne des Fahrers montierten Computerbildschirm Reklamefilme für die Fahrgäste. Das ist alles. Dafür brauche er keine Genehmigung. „Ganz normale Autos, die sich auf der Straße bewegen“, findet Burma und gibt sich zugeknöpft.

Was der Kunde schließlich mit einem geliehenen Neun-Personen-Transporter mache, sei ihm egal, orakelt er gleich darauf mit einem diebischen Lächeln. Denkbar sei, dass ein Unternehmen bei einer mit Burma kooperierenden Werbefirma diese Busse miete, damit sie als Werbeaktion für einen gewissen Zeitraum regelmäßig eine bestimmte Strecke abfahren. Fahrgäste könnten sich bei den Mitfahrzentralen der Stadt über diese Routen informieren, Tickets kaufen und in das Werbe-Dolmuș steigen. Aussteigen sei überall entlang des Weges möglich. Zahlen müssten die Passsagiere nur eine geringe Vermittlungsgebühr der Mitfahrzentrale, denn die Busfahrten finanzieren sich, so Burma, schon über die aufgepappte und abgespulte Reklame.

„Von mir aus könnten die auch zum Nulltarif Fahrgäste mitnehmen.“ fügt er gönnerhaft hinzu. „Denn meine Autos tragen sich auch, wenn ich sie leer durch die Stadt fahren lasse.“ Petra Reetz von der Verkehrsverwaltung meldet trotzdem heftige Zweifel an. „Eine Mitfahrzentrale darf nur von privat zu privat vermitteln. Sobald es Routen gibt, ist das Personenbeförderung und bleibt genehmigungspflichtig.“

Burma allerdings ist überzeugt, dass in zwei Jahren 7.500 seiner Werbe-Dolmuș durch Berlin fahren könnten. Das hat er durchgerechnet. Immerhin hat das „Ein-Mann-Orchester“, wie er sich selbst bezeichnet, in seiner Karriere schon genug Pleiten hingelegt. „Aber ich bin ein geborener Verkäufer und werfe nie das Handtuch“, prahlt der 1967 als Sohn eines Schreiners und einer Chefbuchhalterin aus der Türkei eingewanderte Burma. „Ohne Schulden ist es langweilig.“ Schließlich ist auch sein Vorbild Gottlieb Daimler einige Male pleite gegangen. Dessen Porträt aus der Millenniumsausgabe von AutoBild will sich Burma jetzt ins Büro hängen. Dazu schmückt er die Autovermietung mit sympathischem Selbstbewusstsein: „Schon als Kind war ich unberechenbar. Ich bin die Wände hochgeklettert. Noch heute kann ich mein Temperament nicht zügeln. In meinem Kopf sind noch zwei gigantischere Projekte, aber die stecken noch in der Entwicklung“.

Vorerst freilich will sich Burma mit den Dolmuș-Taxis zufrieden geben. Frühestens nächsten Freitag, auf jeden Fall aber im Laufe des Jahres soll es losgehen. Es gibt noch technische Schwierigkeiten mit den Monitoren in den Fahrzeugen. Viele große Firmen hätten am Werbe-Dolmuș schon Interesse gezeigt. „Wir befinden uns in Verhandlungen“, geheimniskrämert Burma. Namen verrät er nicht. Auch wenn sich sein Geschäft keinesfalls nur an türkische Kunden richtet, wie er versichert, sind bisher erst eine Reihe von türkischen Unternehmen unter Vertrag.

Auf dem türkisen Muster-Werbe-Dolmuș, der im Hof parkt, prangen der Aufkleber einer Dönerproduktion, eines türkischen Elektrohandels, einer türkischen Konditorei und eines türkischen Reisebüros. Der Fiat-Kleinbus harrt im Nieselregen der Dinge, die da kommen werden.

Wenn der Massage-Salon aus dem Laden um die Ecke in der Skalitzerstraße auszieht, will Fair Car-Rent Ende März dorthin umziehen. Das ist wenigstens schon mal sicher.

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