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Der Langweiler muss den wilden Freak mimen

Im Hause Beckham führt Victoria „Posh Spice“ das Wort: Mit absurden Verlautbarungen versucht sie zur Freude der Boulevardpresse, ManU-Kicker David Beckham auf ein poppiges Image festzulegen

Manchester (taz) – David Beckham trägt die Unterwäsche seiner Frau. Tanga-Slip oder Boxershorts? „Tanga“, sagte seine Frau im Frühstücksfernsehen und kicherte verlegen. Von diesem Schock muss man sich erst einmal erholen; die britischen Medien haben es noch nicht getan. Rund zwei Wochen nachdem die Popsängerin Victoria Beckham alias Posh Spice mit ihrem Unterhosen-Scherz selbst in der ernsthaften Presse auf die Titelseiten gelangte (The Times: „Wie passt Beckham da nur rein“), ergötzen sich Meinungsmacher in London noch immer an den jüngsten Geschehnissen im Hause Beckham.

Dass Großbritanniens herausragender Fußballer bei der Klub-WM in Brasilien für einen rüden Tritt gegen einen mexikanischen Oberschenkel die Rote Karte sah, während zu Hause die Ehefrau über einen Wechsel des Gatten vom Champions-League-Gewinner Manchester United ins Ausland plapperte, war zu viel: Das Tohuwabohu um Beckham hat absurde Ausmaße erreicht. Die Daily Mail schrieb die volle Breite einer Zeitungsseite mit dem entsetzten Ruf „Entehrt!“ voll.

Derartige Aufregung um einen Fußballer gab es zuletzt Anfang der Neunziger, als Paul Gascoigne seine besten Auftritte feierte – im Stadion wie im Nachtklub. Der Vergleich mit Gascoigne, der in Fernsehmikrofone rülpste und mit Papierkrampen auf Vereinspräsidenten schoss, offenbart eine enttäuschende Erkenntnis: Anders als bei Gazza ist die Erregung im Fall Beckham viel Lärm um nichts. Wer die Schlagzeilen über seine vermeintlichen Verirrungen hinterfragt, kommt zum Ergebnis: Es gibt kaum einen vorbildlicheren Profi als Mittelfeldspieler Beckham (24). Führt er wirklich einen Highsociety-Lebensstil, immer unterwegs auf den Partys der Pop- und Modebranche? Es existieren Fotos von vielleicht acht Empfängen, auf denen er in den vergangenen 24 Monaten war, und nur weil die Bilder wöchentlich neu abgedruckt werden, werden seine Partybesuche auch nicht mehr. Beckham ist zweifellos ein Narziss, der es genießt, in extravaganter Kleidung unter den Reichen und Schönen aufzufallen. Darüber mag man lächeln. Aber ernsthaft behaupten, die Eitelkeit schade seiner sportlichen Leistung? Als die Boulevardzeitung The Sun wieder einmal gespielt-empört von einem „ausschweifenden Luxus-Abend“ berichtete, merkte sie gar nicht, was sie da enthüllte: Beckham habe gegrillten Fisch in Zitronensoße mit Salat gegessen und dazu Wasser getrunken. Was für ein Exzess!

Und nun will der Raffgierige also mehr Geld von United. „Davids Gehalt sollte hoch gehen“, sagt die Ehefrau und: „Irgendwann wird er im Ausland spielen wollen.“ Frau Posh ist in erster Linie nicht zum Superstar geworden, weil sie so gut singt, sondern weil sie es versteht, die Öffentlichkeit zu unterhalten. Für ihren Mann jedoch wird ihr Geplauder zunehmend zu einem Public-Relations-Problem. „Es könnte nicht schaden, wenn Victoria mehr aufpassen würde, was sie über ihn erzählt“, sagt Bobby Robson, Trainer des Erstligisten Newcastle United und mit 66 Jahren der Elder Statesman des englischen Fußballs. Poshs flapsige Sprüche über einen möglichen Wechsel nach Italien lösten tagelange Spekulationen aus – was Beckham selbst sagte, wurde allenfalls klein gedruckt. Es war ja vergleichsweise langweilig: „Ich möchte bis zum Ende meiner Karriere bei United bleiben. Hier kann ich all meine Ambitionen erfüllen.“

So bleibt als einziger wirklicher Anlass für öffentliche Diskussionen sein Jähzorn. Wie schon im Achtelfinale der WM 98 gegen Argentinien sah er nun bei der Klub-WM wegen eines dummdreisten Tritts die Rote Karte. „Ich hatte schon immer etwas Aggressivität in meinem Make-up“, sagt Beckham. Doch was ist dieser Schwachpunkt gegen all seine phantastischen Stärken; was sind zwei Rote Karten gegen ungezählte Freistöße, die er um Abwehrmauern bog, gegen massenweise Flanken, die Chaos in jede Abwehr bringen. „Die Fans singen: ,Es gibt nur einen David Beckham‘ “, sagt Englands Nationaltrainer Kevin Keegan, „aber ich wünschte, es gäbe zwei. Wenn wir Fußballer klonen würden, wäre er der erste: Er ist ein Modell.“ Unkompliziert, höflich, fleißig.

Als wir Beckham zuletzt im Training mit United sahen, blieb er nach dem offiziellen Ende allein mit dem Kollegen Ryan Giggs zurück und sie übten noch eine kleine Ewigkeit freiwillig Freistöße. Dieses Bild wurde nirgendwo veröffentlicht. Die Kameras waren abgerückt – schon wieder auf dem Weg zu Posh Spice? Die hatte der Unterhosen-Enthüllung noch eine zweite hinzuzufügen: Wäre sie kein Popstar, würde sie im Kaufhaus arbeiten, „an der Kasse, denn ich mag deren biep, biep, biep“.

Ronald Reng

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