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Öko-Klamotte als Massenprodukt

■ Ein neues Projekt an der Oldenburger Uni soll Öko-Textilien den Weg in Massenmärkte ebnen / Schon denkt man über unschädliches Nylon und neue Marketing-Strategien nach

Zu viel Gift in Textilien sorgt immer wieder für Aufregung. Dann folgt die übliche Rückruf-Aktion, und bald können alle wieder ruhig schlafen. Schwermetalle, Dioxin, Pestizide, Chlor – die üblichen Zutaten der textilen „Veredelung“ machen aber kaum Schlagzeilen. Allein in Deutschland werden jährlich 100.000 Tonnen Textilhilfsmittel verbraucht. Die Folge: Jeder von uns trägt hochallergene und giftige Substanzen auf der Haut spazieren.

Öko-Textilien dagegen schonen die Umwelt und hinterlassen ein gutes Gewissen. Nur bekommt man sie nicht für 19,90 Mark beim Discounter um die Ecke. Außerdem haftet ihnen immer noch das Wollsocken-Image an.

Das muss nicht so sein, entschied jetzt Uwe Schneidewind, Professor am Lehrstuhl für Produktion und Umwelt der Uni Oldenburg. „Das Ganze ist eigentlich nur eine Frage des richtigen Managements.“ Auch Öko-Textilien könnten zu erschwinglichen Preisen für einen Massenmarkt produziert werden. Und weil Wissenschaftler es gerne ganz genau wissen, initiierte Schneidewind ein Forschungsprojekt, das drei Jahre lang mit insgesamt 4 Millionen Mark vom Minis-terium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird.

Um einen Kontakt zur Unternehmenspraxis herzustellen, ist auch die Wirtschaft mit von der Partie: der Hamburger Otto Versand und Klaus Steilmann, einer der größten Öko-Textilproduzenten Europas, zugleich Träger des Deutschen Umweltpreises. Außerdem beteiligt sich der Fachbereich Design an der Fachhochschule Hannover und das Öko-Institut der Universität St. Gallen. Mit vereinten Kräften wollen sie ökologisch optimierte Kleidung aus dem Nischendasein befreien.

Das ist keine leichte Aufgabe: Seit Jahren liegt der Marktanteil von Öko-Kleidung unter fünf Prozent. Die Hersteller verzichten auf Insektizide und Pestizide, auf Entlaubungsmittel bei der Ernte, auf Kunstfasern, Chlorbleiche, schwermetall- und dioxinhaltige Farben. Da ihre Textilien nicht chemisch ausgerüstet werden, sondern mit physikalischen Methoden wie Druck, Hitze oder Tumbeln, ist der Arbeitseinsatz größer als bei der konventionellen Konkurrenz. Und das kostet. Ebenso wie die regelmäßigen Kontrollen von Öko-Instituten.

Dennoch: „Die ökologischen Optimierungspotenziale sind noch nicht ausgereizt“, meint Schneidewind. Denn die meist kleinen Öko-Unternehmen kennen keine optimale Kostenrechnung und Marktanalyse und brauchen neue Marketing-, Vertriebs- und Kommunikationsmethoden, ein strategisches Management und ein innovatives Design. Die Supermarktkette Coop aus der Schweiz zeigt, dass es geht. Ihre Öko-Textilien „Natura“ werden zu einem Preis angeboten wie herkömmliche Textilien.

Nicht einzelne Unternehmen, sondern die gesamte so genannte „Wertschöpfungskette“ vom Rohstoffproduzenten bis zum Handel nehmen die Arbeitsgruppen des Oldenburger Projekts unter die Lupe. „Wir setzen nicht erst bei der Vermarktung an“, erklärt Schneidewind, „man muss auch die Produkt-Grundstoffe im Auge haben.“ Neben der traditionellen Baumwolle wird sich das Projekt deshalb auch mit den weitaus billigeren Kunstfasern beschäftigen. Denn die Wissenschaftler wollen auch einen neuartigen Polyester entwickeln, bei dessen Herstellung auf das Schwermetall Antimon verzichtet wird. Bislang ist der Stoff als Katalysator unverzichtbar.

Teil des Projekts ist auch die Erarbeitung einer Positivliste für ökologisch vertretbare Farb- und sons-tige Zusatzstoffe, abwasseroptimierte Färbungsverfahren und günstigere Methoden der physikalischen Aufrüstung. Das Ganze soll dann als Modell für die Ökologisierung von Massenmärkten dienen.

In drei Jahren werden die Ergebnisse des Projekts vorliegen. Bis dahin werden die Testkollektionen auf Probemärkten angeboten. Dann wird sich zeigen, wie die Unternehmen auf die akademischen Ratschläge reagieren. Eva Tenzer

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