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■ In Hessen sind vier Millionen verschwunden, bei der Bundespartei gibt es acht Millionen, deren Herkunft niemand kennt. Wolfgang Schäuble will Kohl jetzt gerichtlich zum Sprechen bringen und der Staatsanwalt ermittelt in Sachen Wolfgang Hüllen, dem CDU-Finanzmann, der sich vorgestern das Leben nahmDaumenschrauben für Helmut Kohl

In der CDU-Spendenaffäre sind gestern neue Details ans Licht gekommen. So sind aus den schwarzen Kassen der hessischen CDU zwischen 1993 und 1997 rund 4 Millionen Mark verschwunden. Das teilte der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) gestern in Wiesbaden mit. Die schwarze Kasse sei 1983 in der Schweiz angelegt worden.

Von 1993 bis Ende 1997 seien von diesem Konto insgesamt 7,8 Millionen Mark abgehoben worden. Bei der CDU seien in dieser Zeit aber nur rund 3,5 Millionen Mark angekommen. Wenn es persönliche Bereicherung gegeben habe, sei dies eine „neue menschliche Enttäuschung“, sagte Koch. Er wolle aber nichts mehr ausschließen.

Die CDU-Führung prüft inzwischen, ob Helmut Kohl mit juristischen Mitteln zur Preisgabe der Namen der Parteispender gezwungen werden kann. CDU-Parteichef Wolfgang Schäuble erklärte, man prüfe, ob der Abschlussbericht der Wirtschaftsprüfer Ansatzpunkte für zivilrechtliche Schritte gegen Verantwortliche der Parteispendenaffäre enthalte. Morgen will das CDU-Präsidium erneut über die Spendenaffäre beraten.

In der morgigen Beratung soll es dabei vor allem um den Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young gehen. Seit vergangenen November hatten die Prüfer geforscht. Fragebögen wurden an viele Mitglieder der ehemaligen Parteiführung unter Kohl verschickt, in denen diese um Auskunft über ihre Kenntnisse über das Finanzgebaren der CDU gebeten wurden.

Aber auch der Bericht der Wirtschaftsprüfer dürfte nicht die volle Wahrheit über die illegalen Finanztransfers der Ära Kohl bringen. Durchgesickert ist bereits, dass es nach den Ermittlungen der Wirtschaftsprüfer für den Zeitraum bis 1993 einen ungeklärten Betrag von 8 Millionen Mark gibt. Niemand weiß, woher das Geld, das nicht in den Rechenschaftsberichten auftauchte, stammte.

Über Helmut Kohls Auskunftsfreudigkeit gibt es inzwischen neue Spekulationen. So wird in Berlin nicht mehr ausgeschlossen, er könne von seiner bisherigen Haltung abrücken, die Namen von Spendern, die anonym bleiben wollten, nicht zu verraten.

„Man kann Kohl zwingen, wenn man will“

Juristisch hätte die CDU die Möglichkeit, den ehemaligen Parteichef zur Aussage zu zwingen. Im Zivilrecht gibt es den Grundsatz, dass jeder rechenschaftspflichtig ist, der fremde Angelegenheiten wahrgenommen hat.

Grundlage im Falle Kohls wäre der Abschnitt im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), der sich mit den Vereinen beschäftigt und auch bei den Parteien Anwendung findet. Dort heißt es im Paragraf 666, „der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen“. Da der Vorstand einer Partei das Organ ist, das die Geschäfte führt, gelten diese Bestimmungen auch für alle Vorstandsmitglieder.

Der Experte für Parteienrecht Martin Morlok erklärte schon vor einigen Tagen, dass die CDU ihrem ehemaligen Ehrenvorsitzenden die Daumenschrauben anlegen könnte. „Man kann ihn zwingen, wenn man will“, so Morlok. Die CDU könnte Kohl vor einem Zivilgericht auf Auskunft verklagen. Würde sich der ehemalige Ehrenvorsitzende weiter weigern, drohten ihm dann Zwangsmaßnahmen. Kohl könnte aber auch wegen des Ermittlungsverfahrens der Bonner Staatsanwaltschaft gegen ihn auf ein Auskunftsverweigerungsrecht pochen.

Unterdessen bestätigte die Berliner Justiz einen Tag nach dem Selbstmord des Finanzverwalters der CDU/CSU-Fraktion, Wolfgang Hüllen, gegen den 49-Jährigen würde wegen des Verdachts der Untreue ermittelt. Weitere Details wollte die Berliner Justizverwaltung nicht mitteilen. Die Berliner Tageszeitung B. Z. berichtete gestern, Hüllen habe in seinem Abschiedsbrief Angst vor einer wegen der Spendenaffäre drohenden Wirtschaftsprüfung als Grund angegeben. Er soll sich bezichtigt haben, aus der Fraktionskasse Gelder abgezweigt zu haben.

Die Bonner Polizei durchsuchte inzwischen das Privathaus von Hüllen in Wachtberg bei Bonn. Direkt mit der Spendenaffäre habe sein Fall aber nicht zu tun, hieß es von informierter Seite. dpa/taz

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