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Marsmännchen mit Kopulationskummer

■ Trendgerechte 80er-Jahre-Fantasien und andere Banalitäten: Die Pop-Autorin Alexa Hennig von Lange enttäuscht mit ihrem zweiten Roman „Ich bins“ in jeder Hinsicht

Mit dem Pop-Romänchen Relax schrieb sich Alexa Hennig von Lange 1997 in die Riege deutschliterarischer Fräuleinwunder. Zu Recht, denn in einem ebenso authentischen wie komischen Jugendjargon lieferte die 1973 geborene Berlinerin mit Zweitwohnsitz in Hamburg eine Ahnung vom Jungsein in den Neunzigern: Zwischen Exzess und Verletzlichkeit ließ sie ihre jugendlichen Ich-Erzähler, ein sex- und drogenbesessenes Pärchen, direkt und drastisch drauflosplaudern – schlicht, aber ergreifend.

Nun also Roman Nummer zwei mit dem frisch-fröhlichen Titel Ich bins. In der Tat: Den Hennig-von-Lange-Stil erkennt man auf Anhieb wieder, es ist die gleiche Mixtur aus inneren Monologen, Beobach-tungsreferat und szenisch ausgemalten Tagträumereien, die im Debüt überzeugte. Wer jedoch einen Nachschlag gleichen Kalibers erhofft, wird enttäuscht. Denn so sehr das Ich-Erzählen dem Erstling gleicht, so anders ist das Erzählgerüst, das es umgibt: Es fehlt nämlich. In Relax sorgte von Lange für Spannung, indem sie ihre Protagonisten nacheinander dasselbe Geschehen erzählen ließ. Nun hat sie es sich einfach gemacht und beschränkt sich auf die männliche Perspektive – die allerdings schon in Relax weniger plausibel wirkte.

Die Story ist schnell erzählt: Der etwa 20-jährige Lars lebt mit seiner nymphomanischen Freundin Mia in Berlin. Lars leidet, denn ständig will Mia, dass er sie „in den Po pimpert“. Der Kopulationskummer wird kompensiert durch Konsumfreuden – Trost spenden Lars vor allem seine „lieben Freunde“, die Airmax-Schuhe – und durch Wunschvisionen von Allmacht und Abenteuer. Dazu gibts leicht sentimentale Kindheitserinnerungen, trendgerecht im 80er-Jahre-Look, und alberne E.T.-Fantasien: „Die Marsmännchen sind bei mir (...) und halten schützend ihre grünen Händchen über mich.“

„Mein Leben ist wirklich ein Desaster“, klagt Lars. Leider kann man ihm da nur zustimmen, denn nach der Lektüre dieses Buches darf das literarische Talent seiner Schöpferin nachhaltig angezweifelt werden. Das Geschehen wirkt derart beliebig und belanglos, dass partout keine Spannung aufkommen will. Zwar hat auch Ich bins seine komischen Stellen, etwa wenn Lars sich nach einem Friseurbesuch „wie ein beschissener Wellensittich nach der Mauser“ fühlt. Doch der assoziative Erzählfluss schafft, anders als in Relax, keine Erlebnisgegenwart für den Leser. Im Gegenteil: Weil der Autorin offensichtlich ein echtes Anliegen fehlt, wirken Lars' längere Gedankenspiele bestenfalls banal.

War der geglückte Erstling also nur ein Zufallstreffer? Es bleibt zu hoffen, dass Alexa Hennig von Lange in ihrem nächsten Roman wieder relaxt genug ist, um die dramaturgischen Zügel zu straffen. Schließlich hat die lockige Literatin schon einmal bewiesen, dass sie aus den Minineurosen, Marotten und Passionen ihrer Protagonisten etwas schaffen kann, das den Titel Literatur verdient hat. Mögen die Marsmännchen ihre grünen Händchen schützend über sie halten.

Christian Schuldt

Alexa Hennig von Lange: „Ich bins“. Roman. Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, Hamburg 2000, 208 Seiten, 28 Mark

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