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Village VoiceAuf der Wiese ein Butterbrot

Die neuen Kinder aus der Krachmacherstraße: Beastieshopbeach lärmen heftig an der Schnittstelle zwischen Jazz und Elektronik

Eine Zeit lang sah es so aus, als ob sich Berlin zu einer Hochburg frei improvisierter Musik entwickeln könnte. Regelmäßig traten im Anorak Neutöner auf, es gab kleine und feine Festivals, und Impressario Volker Schneemann betrieb seine New-Music-Plattform-Algen.

Das ist alles schon wieder vorbei. Mit dem Anorak starb auch die Aufbruchstimmung, und so ist es kein Wunder, dass das Berliner Duo Beastieshopbeach seine Platten auf dem Kölner Label Rupp veröffentlicht: In Köln geht man heute professioneller mit der Schnittstelle zwischen Jazz, Elektro und freier Improvisation um.

In Berlin hat man sich wieder auf die Ränder zurückgezogen. Wer Dazwischen-Musik macht wie Olaf Rupp und Götz Rogge als Beastieshopbeach, hat sich mit der Heimatlosigkeit abgefunden. Mit den alten Freejazz-Gruftis aus dem Dunstkreis des Labels FMP hat man nichts gemein, für die Club-Szene ist man nicht hip und für das ernste Lager nicht ernst genug.

Dabei stand Olaf Rupp sogar schon kurz davor, im Pop-Zusammenhang Aufmerksamkeit abzubekommen. Zusammen mit Stephan Mathieu bildete er das Improvisations-Duo Stol, das sich immer stärker in Richtung Postrock entwickelte und deshalb begeistert von Berlins Label Kitty Yo eingefangen wurde. Doch mehr als eine Maxi kam bei dieser Kollaboration nicht heraus. Mathieu zog nach Saarbrücken und Stol lösten sich auf.

Beastieshopbeach war das schon immer unbequemere Standbein von Rupp: kompromisslose Seltsamkeitsmusik. Es fällt darum auch schwer zu begreifen, was bei der neuen Platte des Duos überhaupt vor sich geht. Olaf Rupp spielt Gitarre, Götz Rogge Schlagwerk, Sampler und elektronischen Schnickschnack. Anscheinend. Denn zu hören sind vor allem Geräusche, deren Ursprung nicht ganz nachzuvollziehen ist. Vielleicht stand am Anfang wirklich die Gitarre, doch nachdem sie durch Sampler, hundertausend Effektgeräte und Mischpult gejagt worden ist, klingt sie eher nach Granatsplittern oder Kieselsteingeknirsche. Gelegentlicht formt sich der Gitarreneffektbrei. Eine Schlaufe, ein Beat: Bröseltechno oder so was entsteht, aber nur kurz. Der Kopf fängt gerade an zu wippen, da zieht sich wieder Gefiepe und genmanipuliertes Geklöppel durch die bedrohlich klingende Klangarchitektur.

Doch das Krachmachen kommt bei Beastieshopbeach nie ohne Humor aus. Selbst wenn Industrial aufgetürmt wird, bewahrt irgendein Spielzeugsoldaten-Gepupse die Musik vor zu viel Ernsthaftigkeit. Und wenn man sich dann doch mal etwas verloren fühlt in diesem Geräusch-Pandämonium, dann schlägt man einfach das Booklet auf. Dort grinsen einen die Gesichter der beiden Musiker an. Der eine mit Elvis-Costello-Hundeblick und der andere mit verbotener Halbglatzen-Langhaarmähne. Über den Fotos kann man lesen: „Und am nächsten Morgen stand ein Butterbrot auf der Wiese.“Andreas Hartmann

Beastieshopbeach: dito (Grob/A-Musik)

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