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Sport? Muss doch nicht sein

Schulbehörde schenkt Berufsschülern Gutscheine für drei Millionen Mark statt Schulsport. Aber fast niemand löst sie ein  ■ Von Sandra Wilsdorf

Die Schulbehörde hält es lieber mit Winston Churchill und den Betrieben als mit Sportlern: Auf „no Sports“ bestand der englische Premierminister, und Hamburgs Ausbildungsbetriebe wünschen sich Auszubildende so viel wie möglich bei der Arbeit und so wenig wie möglich in der Berufsschule.

Deshalb hat die Schulbehörde 1997 den Sport in Berufsschulen abgeschafft und schenkt den jungen Menschen stattdessen am Anfang eines Schuljahres Gutscheine im Wert von je 120 Mark. Die können sie beim Hamburger Sportbund einlösen, für Kurse ihrer Wahl in einem beliebigen Hamburger Sportverein. So die Idee. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Nur etwa 10 Prozent der Gutscheine werden eingelöst.

Rainer Kuhfeld, Leiter des Sportausschusses der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), nennt das „ein Wahlkampfgeschenk“ und fürchtet, das sei erst der Anfang vom „Outsourcing in der Bildung“. „Demnächst kann man sich vielleicht den Englischunterricht an der Volkshochschule geben lassen.“

Die GEW mahnt eine Überprüfung an, die Schulbehörde und Hamburger Sportbund nach zwei Jahren Vertragslaufzeit versprochen hatten. „Dieser Bericht ist fast fertig und wird demnächst vorgelegt“, sagt Viola Griehl, Sprecherin der Schulbehörde. Bis dahin ist sie zu keiner weiteren Stellungnahme bereit. Der Bericht soll auch die Frage beantworten, was denn mit dem eingeplanten, aber nicht abgerufenen Geld passiert. „Wir bekommen nur Geld für die eingelösten Gutscheine“, beteuert Jan Schütte, Pressesprecher des Hamburger Sportbundes.

„Das Geld ist zweckgebunden für solche Projekte“, begegnet Viola Griehl der Vermutung, die Schulbehörde würde den offenbar nicht benötigten Rest der jährlich knapp drei Millionen Mark für völlig andere Projekte oder zum Sparen verwenden. Der Wert der Gutscheine wurden von 120 bereits auf 200 Mark erhöht. „Damit sind viele Angebote besser finanzierbar“, sagt Schütte.

Eine Erhebung hat ergeben: Von den etwa 2500 jungen Leuten, die die Gutscheine überhaupt nutzen, sind nur 30 Prozent neue Vereinsmitglieder. Die überwiegende Mehrzahl bewegt sich also keine Minute mehr, sondern bezahlt mit dem Gutschein die Kurse, die sie ohnehin belegt hat.

Die Schulbehörde bezahlt dem Sportbund übrigens eine Stelle, um die Gutschein-Verwaltung abzuwickeln. Dieser Mensch hat nun ein Zehntel der Arbeit, die man ihm ursprünglich zumuten wollte. „Man hatte keinerlei Erfahrungen über den tatsächlichen Aufwand“, sagt Schütte und versichert, dass die Stelle zu nichts anderem als der Verwaltung der spärlich eingehenden Gutscheine verwendet wird.

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