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Radikaldilettanten und Kraftwerke der Gefühle

■ Während des Symposiums „motion is emotion“ drehte sich im Kino 46 alles ums Thema „Bewegung“. Ein Bericht

Wie bewegt das Kino durch Bewegung? Nicht umsonst heißen Filme in den USA movies, also moving pictures, denn ohne die Bewegung des Films im Projektor gäbe es die Illusion der Bewegung auf der Leinwand ja nicht.

Mit einer Untersuchung dieser ersten und wichtigsten Bewegung im Kino begann das 5. Bremer Symposium zum Film: Der Experimentalfilmer Werner Nekes konnte zwar leider nicht kommen, aber sein Film „Media magica“, in dem er viele technische Vorläufer des Films wie die Laterna Magica oder das Praxinoskop vorstellte, eignete sich ideal als Einstieg für diese drei Tage währende Reihe von Vorträgen, in denen am Beispiel so unterschiedlicher Genres und Filmstile wie die Stummfilmkomödie, die sowjetische Avantgarde, das Melodram, der Experimentalfilm, das Action-Kino Hollywoods und die Dogmafilme gezeigt wurde, wie dort durch „motion“ „emotion“ erzeugt wird.

Natürlich war, wie bei jedem Symposium, die Qualität der Vorträge sehr unterschiedlich. Wenn etwa Hermann Kappelhoff darüber referierte, wie in dem Melodram „Magnificent Obsession“ die Zeit angehalten wird, um durch Farbe, Schatten, Musik und Schnitt Gefühle auszumalen, dann schien auch bei seinem Vortrag die Zeit nicht zu vergehen, weil er zu pedantisch, kompliziert und langweilig diesen Film auseinander nahm.

Thomas Koebner hingegen erzählte so packend und fundiert über Verfolgungssequenzen zwischen Slapstick und Actionthriller, dass die Filmausschnitte aus einem Buster-Keaton-Film, John Fords „Stagecoach“ oder „French Connection“ schon fast enttäuschend wirkten, weil er sie bereits vorher so schön beschrieben hatte. Die Verfolgungsjagd ist für ihn ein „anarchisches Ritual, das durch eine Art Gottesurteil beendet wird“. Ähnlich spannend vorgetragen waren Norbert Grobs Thesen über die zunehmende Gewalt im Hollywoodkino, die er als extremste Form der Bewegung deutete. Er beschrieb die Gewaltorgien in Filmen wie etwa John Woo's „Face off“ als „choreographierte Gewalt“ und Jahrmarktsattraktionen, die immer spektakulärer in ihrer Ausführung und Drastik sein müssen. Emotional bewegt werde das Publikum aber eher in Filmen, bei denen die Aggression in der Atmosphäre angedeutet wird. Grob sprach von der bedrohlichen Aura von Stars wie James Cagney, John Wayne oder Clint Eastwood, die gute Regisseure so einsetzten, dass sie wirkungsvoller war als die gezeigte Gewalt.

Claudia Lenssen lieferte eine gute Einführung in die Stilmittel des Melodrams, wonach sie darstellte, wie dieses Genre im deutschen Kino durch die daily soaps im Fernsehen fast gänzlich obsolet wurde. Diese sind „die trivialen Kraftwerke der Gefühle“. Und selbst bei einem so erfolgreichen Kinofilm wie „Aimée und Jaguar“ seien die Vorgaben des Fernsehkitsches noch deutlich zu erkennen.

Dass in der frühen russischen Sowjetmacht der 20er Jahre ausgerechnet die Amerikaner Edison und Taylor vergöttert wurden und die sowjetischen Avantgardefilmer ihnen mit Werken über Maschinenmenschen und die Überlegenheit des Stahls über das schwache menschliche Fleisch huldigten, war die überraschende Pointe des Vortrags von Hans-Joachim Schlegel, und Ingo Petzke zeigte sehr eindrucksvolle Beispiele „zur Dynamik des experimentellen Films“.

Wenn es einen Star der deutschen Filmkritik gibt, dann ist dies eindeutig Georg Seeßlen. Bei seinem Vortrag über die Dogma-Filme war das Kino 46 so voll wie sonst selten. Seeßlen kritisierte ausschweifend, brillant und detailreich die Dogma-Bewegung als den Versuch, „eine Vorherrschaft des Blicks über das Bild“ zu erlangen.“ Zugleich wies er aber auch auf die Selbstironie der dänischen Regisseure hin, die mit den Dogmafilmen „radikaldilettantische Werke drehen, die tatsächliche Dilettanten nie so gut hinbekommen würden.“

Dies war eindeutig ein besserer Jahrgang des Symposiums, und das lag sicher auch an dem geschickt gewählten Thema. Denn es trifft das Kino in seiner Essenz: Ob nun mit entfesselter Handkamera, in rasanten Verfolgungsszenen oder bei Liebesdramen, die in der Lust am Leid schwelgen: Bewegung wird erst im Auge des Betrachters zum Gefühl! Wilfried Hippen

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