Kanzler mit Kunst statt Geld im Koffer

■ Schröder brachte zwei Bilder zum Besuch der „Interschau“ mit / Auswärtiges Amt gab nach / Bernstein-Mosaik darf nach Rußland zurück / Deutsche Botschaft rückt 101 Bremer Bilder raus

Am Rande seines gestrigen Besuches bei der Schausteller-Messe „Interschau“ in Bremen hat Bundeskanzler Gerhard Schröder sich auch mit dem Präsidenten des Senats, Bürgermeister Henning Scherf, getroffen und mitgeteilt, dass es eine Einigung über Rückgabe des berühmten Bernstein-Mosaiks gebe. In direkten Verhandlungen zwischen Bremen und der russischen Seite war vereinbart worden, dass gleichzeitig 101 Bilder aus der Kunsthalle Bremen, die in der Deutschen Botschaft in Moskau liegen, zurück kommen können. Das Auswärtige Amt hatte die direkten Verhandlungen zwischen Bremen und Russland bisher nicht akzeptiert. Nun soll der Austausch doch passieren – allerdings nicht sofort, sondern erst nach der russischen Präsidentenwahl. Von deutscher Seite sollen der Staatsminister für Kultur, Michael Naumann, der Präsident des Bremer Senats und der Präses der Bremer Handelskammer, Bernd Hockemeyer, in Moskau dabei sein. Hockemeyer hatte der möglichen Erbin des Bernstein-Mosaiks ihre Ansprüche abgekauft – ihr Vater betrachtete das geraubte Stein-Mosaik als sein „ersessenes“ Eigentum (wir berichteten).

Über die Hintergründe des Einlenkens der Bundesregierung wurden keine Angaben gemacht. Schröder erklärte nur, die Bundesregierung müsse Wert darauf legen, dass die Außenvertretung Deutschlands ihre Ordnung behält. Dies verweist auf die Vermutung, dass man im Auswärtigen Amt, das bisher in seinen Verhandlungen um die Beutekunst ziemlich glücklos operierte, den Bremer Unterhändlern ihren schnellen Erfolg nicht gönnte. Wenn die Übergabe erst nach den Präsidentschaftswahlen stattfindet, könnte sie zudem vom Auswärtigen Amt als freundliche Geste gegenüber der neuen Regierung genutzt werden.

Bundeskanzler Schröder brachte zu der guten Botschaft von seinem Einlenken auch zwei lange als verschollen geltende wertvolle Zeichnungen für die Bremer Kunsthalle zurück. Er hatte sie am Rande des OSZE-Gipfels im November vom Präsidenten der Aserbaidschanischen Republik, Hejdar Alijew, erhalten. Gleichzeitig kündigte Schröder an, dass auch die weiteren zwölf zu einer Sammelmappe gehörenden Zeichnungen an die Weser zurückkehren. Dies habe ihm Alijew zugesagt. Bei den jetzt zurückgekehrten Schätzen handelt es sich um eine Federzeichnung mit der Darstellung einer Madonna mit Kind, die dem italienischen Maler Raphael Raffael (1483-1520) zugeschrieben wird. Das zweite ist eine Zeichnung des italienischen Bildhauers und Malers Gian Lorenzo Bernini (1598-1680) und zeigt einen knienden männlichen Akt von hinten in roter Kreide.

Der Bremer Kunstverein hatte die Zeichnungen 1993 bei einer Ausstellung in Baku entdeckt. Wenig später meldete das dortige Museum sie als gestohlen. Einige der Bilder wurden dann dem Auktionshaus Sotheby's in New York angeboten. Die weitere Spur führte 1997 nach Japan, wo acht Bilder aus dem Bremer Bestand identifiziert werden konnten.

Insgesamt verschwanden in den Kriegswirren mehr als 4.000 Bilder, Zeichnungen und Grafiken der Bremer Kunsthalle. Nach Angaben von Kunsthallen-Direktor Wulf Herzogenrath ist der Aufenthaltsort von etwa 800 Werken bekannt, davon befinden sich 500 in der Eremitage in St. Petersburg und 88 im Puschkin Museum in Moskau. Alle in die ehemalige Sowjetunion verschleppten Bremer Kulturgüter fielen nicht unter das russische „Beutekunst“-Gesetz, sagte Herzogenrath, denn sie seien nicht auf Grund eines Befehls von „oben“ konfisziert, sondern von Soldaten „einfach mitgenommen“ worden.

K.W./dpa