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Neid auf die deutsche Debatte

In den USA ist der Streit um das Berliner Holocaust-Denkmal kein Thema. „Mit Gedenken können Amerikaner nichts anfangen“

Washington (taz) – Das Thema Mahnmal kommt in der amerikanischen Berichterstattung kaum vor. Zwar hatte die New York Times groß über das Fernbleiben des Berliner Regierenden Eberhard Diepgen bei der heutigen Bautafelenthüllung berichtet. Aber eben nur sie allein.

Peter Wise, Autor des Buchs „Capital Dilemmas“ über Mahnmale und Städtebau meint, selbst Diepgens Affront werde die Debatte über das Mahnmal nicht lostreten. Amerikaner verstünden die Nuancen einfach nicht. „Die Auseinandersetzung“, so Wise, „wurde in Amerika als rein deutsche Angelegenheit wahrgenommen.“ Die deutsche Berichterstattung neige dazu, das Interesse der amerikanischen und jüdischen Öffentlichkeit am Mahnmal zu übertreiben. Das habe damit zu tun, dass Deutsche von Amerikanern die Lösung des Problems erwarteten, wie des Holocaust angemessen gedacht werden könne. „Amerika ist aller Geschichte gegenüber von begnadeter Ignoranz“, meint James Young, der einzige Amerikaner und zugleich der einzige Jude, der im dem Findungskomitee saß, der Jury, die über die Mahnmalsentwürfe entschied. „Ich habe immer etwas neidisch auf die lebhafte Debatte um den Holocaust in Deutschland geschaut“, gesteht er. „Wenn sich Amerikaner zu intensiv mit Deutschlands Nazivergangenheit beschäftigen, müssten sie auf dunkle Kapitel in ihrer eigenen Geschichte stoßen.“

Damit will James Young allerdings nicht sagen, dass Amerika in der deutschen Auseinandersetzung keine Rolle gespielt habe. „Unsere Beitrag bestand in dem distanzierteren Blick zur Idee eines Mahnmals. Zudem betrachten die Deutschen Leute wie Eisenman und mich als einen Garanten gegen Fehler.“

Er und Eisenman, der Architekt des Holocaust-Denkmals, hätten als Amerikaner und Juden dem Projekt die notwendige politische Deckung gaben. „Was ich schließlich im Gutachten geschrieben habe, hätte eigentlich auch jeder Deutsche schreiben können. Die meisten Deutschen aber fanden, dass es für mich leichter sei.“

Peter Ross Range, langjähriger Deutschlandkorrespondent der Time, meint, dass der Streit um die Entschädigung der Zwangs- und Sklavenarbeiter mit der Diskussion um das Holocaust-Mahnmal nicht zu vergleichen sei. Bei der Sklavenarbeit gehe es um Geld und um ein Unrecht – Sklaverei –, worunter die meisten Amerikaner sich etwas vorstellen könnten. „Geld, das verstehen Amerikaner“, sagt Range. Beim Mahnmal gehe es um Gedenken und Erinnerung. „Damit können die meisten Amerikaner nichts anfangen.“

Peter Tautfest

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