: Mit der Dampfwalze gegen die Pressevielfalt
Wegen der „Ostthüringer Zeitung“ liegt die WAZ-Gruppe im Clinch mit dem Kartellamt
Jetzt muss das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheiden: Weil die WAZ-Gruppe unangemeldet alle Anteile der Ostthüringer Zeitung (OTZ) übernahm, hat das Bundeskartellamt diese Fusion rückwirkend verboten. 1995 hatte der Essener Verlagsriese, dem schon 60 Prozent der OTZ gehörten, die restlichen Anteile zugekauft. WAZ-Justitiar Frank Heyer kündigte gestern gegenüber der taz offiziell Beschwerde gegen die Entscheidung an.
Wenn es auch vordergründig um die Anteilserhöhung von 1995 geht, spielt eigentlich ein medialer Schildbürgerstreich der WAZ-Gruppe aus dem Jahr 1990 die Hauptrolle: Als die Dampfwalze der Branche nach der Wende durch Thüringen rollte und dort Zeitungen zum Teil an der Treuhand-Anstalt vorbei en gros aufkaufte, hatte dass Kartellamt der WAZ zumindest die Übernahme der in Gera erscheinenden Ostthüringer Nachrichten untersagt, um ein Monopol der Gruppe zu verhindern. Die WAZ beugte sich dem Beschluss – und unterlief ihn sofort: Sie gründete einfach eine Tochtergesellschaft, warb die komplette Belegschaft ab und warf die OTZ auf den Markt – worauf die Ostthüringer Nachrichten kläglich eingingen. Im anschließenden Tauziehen mit der Treuhand wurde der WAZ immerhin abgetrotzt, 40 Prozent der OTZ-Anteile an einen weiteren Verlag abzugeben. Außerdem war für wesentliche Entscheidungen eine 70-Prozent-Mehrheit nötig, die WAZ konnte also nicht unbegrenzt als Mehrheitseigner schalten und walten. 1995, so Heyer, wollte der OTZ-Partner Mainzer Verlagsanstalt (heute Verlagsgruppe Rhein-Main) aus dem Vertrag aussteigen – und bot ihre Anteile nach den Gepflogenheiten der Branche zunächst der WAZ an. Die griff zu, und die Geschichte war wieder an ihrem Ausgangspunkt.
Warum das Kartellamt erst jetzt reagiert, bleibt unklar – angeblich habe man erst so spät davon erfahren. Dass kann so nicht stimmen: Bereits Ende 1998 hatte die Behörde in der gleichen Angelegenheit ein Bußgeldverfahren gegen die WAZ angestrengt, dann aber fallen gelassen. Konkret geht es bei dem Rechtsstreit um die Frage, ob der Rückkauf des 40-Prozent-Anteils nur eine „Aufstockung der Beteiligung“ war (WAZ-Justitiar Heyer) oder ein „anmeldepflichtigen Zusammenschluss“ (Kartellamt), der die marktbeherrschende Stellung der WAZ weiter verstärkt. Immerhin kontrolliert die Verlagsgruppe mit der Thüringer Allgemeinen (Erfurt), der Thüringischen Landeszeitung (Weimar) und der OTZ den Leser- und Anzeigenmarkt in fast ganz Thüringen, nur das Freie Wort aus Suhl gehört nicht zur Familie.
Vermutlich ist die WAZ-Gruppe geradezu stolz auf den Ruf, jede Lücke des deutschen Wettbewerbsrecht auszunutzen. In Thüringen folgte sie ohnehin nur dem in Nordrhein-Westfalen erfolgreich durchexerzierten Modell: Hier beherrscht die Zeitungsgruppe die fünf auflagenstärksten Titel des Rhein-Ruhrgebiets. Die WAZ-Strategie garantiert den einzelnen Blättern stets redaktionelle Unabhängigkeit – auf kartellamtlichen Druck und natürlich nur, solange Auflage und Einnahmen stimmen – schließt die Titel aber zum Anzeigenverbund zusammen.
Justitiar Heyer ist sich seiner Sache auch jetzt wieder sicher und offenbart gleichzeitig die WAZ-Haltung zur Pressevielfalt: „Wie will man denn eine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung belegen – die OTZ erscheint doch schon fast überall alleine.“
Steffen Grimberg
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