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Historische Geste droht am Grappa zu scheitern

Italien und Griechenland blockieren das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Südafrika ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

„Grappa ist genuin italienisch, sowohl von der Tradition als auch von der Wortgeschichte her“, so das Grappa-Institut

Noch vor fünf Jahren hörte sich alles wunderbar solidarisch an. In einer „historischen Geste“ verkündete die Europäische Union, Südafrika nach dem Fall der Apartheid beim Aufbau einer „gemischtrassigen Gesellschaft“ helfen zu wollen – und ihm unter anderem erleichterten Zugang zum europäischen Markt zu gewähren.

Seit dem 1. Januar diesen Jahres sollte ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Südafrika in Kraft sein. Derzeit herrscht allerdings in den EU-Staaten Verwirrung – und in Südafrika Verärgerung vor. Denn obwohl das Abkommen im Oktober letzten Jahres unterzeichnet worden ist, muss es von den einzelnen Mitgliedsländern noch ratifiziert werden, und vor allem den südeuropäischen Ländern fällt ständig Neues ein, um es zu verhindern.

Wie meist bei solchenVerhandlungsrunden steckt der Teufel im Detail – in diesem Fall in den Agrarprodukten. Das Abkommen umfasst eine Liste von rund 10.000 Produkten, die langfristig zu 90 Prozent zollfrei gehandelt werden dürfen.

Spät, aber doch haben die europäischen Südländer begriffen, dass Südafrika klimatisch bevorzugt und in der Lage ist, hochwertige, aber billigere Agrarprodukte auf den Markt zu bringen – bis hin zu Weinen und Spirituosen, deren Ein- und Ausfuhr in einem Zusatzabkommen geregelt wird.

In allerletzter Minute fiel im vergangenen Oktober Spanien und Portugal ein, dass Sherry und Port auf eine Liste von Markennamen gehören, die sie am allerliebsten weltweit schützen lassen möchten, also auch für künftige Handelsvereinbarungen. Um das gesamte Abkommen nicht durch diese vergleichsweise geringen Streitpunkte zu gefährden, gab Südafrika schließlich zähneknirschend nach.

Die Hoffnung, dass damit ab Anfang Januar damit begonnen werden könne, die Zölle zu senken, erfüllte sich indes nicht. Kurz vor dem Jahreswechsel kam den Griechen und Italienern urplötzlich in den Sinn, dass auch Grappa und Ouzo auf der Liste schützenswerter Produkte verewigt werden sollten – ebenfalls Produkte, die in Südafrika unter gleichem Namen produziert werden.

Dass es dabei am allerwenigsten um Südafrika geht, zeigen schon die dürren Zahlen: 40 Millionen Liter Grappa produziert Italien jährlich, in Südafrika sind es gerade einmal 30.000. Italien aber, das vermuten auch EU-Diplomaten in Pretoria, will sich damit der möglichen Konkurrenz auch aus anderen Teilen der Welt ein für alle Mal erwehren. In der Hitze des Gefechts mutierten Weinbauern und Politiker in Italien sogar zu Rettern des nationalen Erbes. „Grappa ist genuin italienisch, sowohl von der Tradition als auch von der Wortgeschichte her“, ereifert sich Luigi Odello, seinerzeit Vorsitzender des Nationalen Grappa-Instituts im italienischen Brescia. Unsinn, kontert George Dalla Cia, Südafrikas derzeit bester Grappahersteller am Kap. „Die Italiener sind schlicht eifersüchtig, dass unser Grappa so gut ist.“

Selbst die Juristen in Brüssel waren ratlos und gaben einander widersprechende Rechtsauslegungen. „Wir werden das Abkommen so lange nicht unterzeichnen, bis nicht geklärt ist, dass Grappa ein Markenname ist, der zu bestimmten Regionen gehört“, hieß es in Rom derweil beinhart. Das nachzuweisen aber dürfte den Italienern schwerfallen. An Regionen gebundene Namen wie Champagner zum Beispiel sind laut einer EU-Richtlinie tatsächlich geschützt, Grappa aber ist nichts weiter als ein Schnaps aus den Resten von Weintrauben, der überall in Italien gebraut wird. Ähnliches gilt für den griechischen Ouzo, einen Anisschnaps. Um nicht weitere Präzedenzfälle zu schaffen, blieb man auch in Pretoria diesmal hart. Der in der vergangenen Woche eilends eingeflogene EU-Kommissar Poul Nielson musste unverrichteter Dinge wieder nach Brüssel fliegen.

Nun ist es an den Europäern, eine Lösung für die festgefahrene Situation zu finden. Doch es sieht nicht gut aus. Am Montag scheiterte eine Einigung im EU-Ministerrat. Gestern wurde ein neuer Anlauf genommen. Gelingt es allerdings nicht, bis nächste Woche einen Kompromiss zu finden, ist das gesamte Abkommen nach internationalem Handelsrecht geplatzt. Und in Südafrika hätten die Recht behalten, die den Industrieländern des Nordens „historische Gesten“ schon lange nicht mehr abnehmen.

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