: „Luftnummer“ bringt neuen Ärger
CDU fordert Rücktritt von Heinz Schleußer, weil sich dieser von seiner Freundin auf „Dienstflügen“ begleiten ließ. Waren es zwei oder drei Flüge? ■ Von Pascal Beucker
Bochum (taz) – Auch in der Not hat Heinz Schleußer seinen Humor nicht verloren. Ausgerechnet der angeschlagene nordrhein-westfälische Finanzminister eröffnete am vergangenen Wochenende in Düsseldorf zusammen mit Ministerpräsident Wolfgang Clement die „boot 2000“. Dabei könnte ihn seine Segelleidenschaft früher als geplant in den Ruhestand befördern und das vergangene Wochenende eines seiner letzten Wochenenden als Mitglied der Landesregierung gewesen sein.
„Der Rücktritt von Finanzminister Schleußer ist überfällig“, konstatiert CDU-Landtagsfraktionschef Laurenz Meyer. Denn nach dem Geständnis des verheirateten Familienvaters, zweimal auf „Dienstflügen“ mit dem Privatjet-Service der Westdeutschen Landesbank (WestLB) seine Freundin mitgenommen zu haben, stehe nun fest, „dass in der Flugaffäre gelogen wird, dass sich die Balken biegen“.
So habe Schleußer in den letzten Wochen „sowohl gegenüber dem Parlament wie auch gegenüber der Öffentlichkeit gelogen“, als er die private Begleitung leugnete, die er jetzt zugeben musste. „Die Salamitaktik, immer nur so viel zuzugeben, wie bereits bekannt ist, muss aufhören“, fordert Meyer von der Landesregierung.
Unklar ist, ob Schleußer tatsächlich nur zweimal zusammen mit seiner Freundin in der „Air WestLB“ flog. Denn vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Düsseldorfer Flugaffäre konnte sich der Zeuge Richard Schildbach an einen dritten Flug im Juni 1985 erinnern.
Der frühere Pilot der Chartergesellschaft PJC, mit der die WestLB einen Flugbereitschaftsvertrag hatte, sagte aus, der damalige stellvertretende SPD-Landtagsfraktionsvorsitzende habe sich „in Bremen oder in der Umgebung von Bremen auf einer Bootswerft ein Boot anschauen oder kaufen“ wollen. Schleußer dementiert: „An eine private Reise nach Bremen in Begleitung einer Frau kann ich mich nicht erinnern.“ Auf Basis aller ihm noch zugänglichen Unterlagen ergäbe sich auch kein Hinweis auf einen solchen Flug. Auf keinen Fall habe er jedoch, wie von Schildbach angegeben, am 10. Juni 1985 stattfinden können, da Schleußer an diesem Tag an einer Plenarsitzung des Landtags teilgenommen habe. „Hier muss Herr Schildbach irren“, ließ der Minister erklären.
Ob zwei oder drei Flüge: Peinlich sind die WestLB-Trips von Schleußer mit seiner Freundin, einer Telefonistin der Oberhausener IG Metall, auf jeden Fall für die Landesregierung. Hinter vorgehaltener Hand spotten nun auch schon rot-grüne Landtagsabgeordnete, jetzt würden sie endlich verstehen, was der Ministerpräsident gemeint habe, wenn er von der Flugaffäre immer als „Luftnummer“ sprach.
Clement hält trotzdem weiter an seinem angeschlagenen Minister fest. Der SPD-Vize hofft den dienstältesten Finanzminister der Republik bis zur Landtagswahl im Mai durchschleppen zu können. Danach will der 63-Jährige ohnehin in Rente gehen. Auch der SPD-Landesvorsitzende Franz Müntefering stellte sich hinter Schleußer. Dessen Verhalten sei „höchst ärgerlich“, aber „angesichts der kleinen Dimension, um die es insgesamt geht“, würde es „da keine Konsequenzen geben“. Schließlich habe Schleußer nur die Privatsphäre seiner Begleiterin schützen wollen.
Die Grünen, die sich bislang aus Rücksicht auf den großen Koalitionspartner in der Flugaffäre auffällig zurückhielten, sehen das hingegen anders. Ein grüner Minister hätte zurücktreten müssen, erklärte Sylvia Löhrmann. Die grüne Fraktionssprecherin hält es zudem nunmehr für „dringend erforderlich, alle Vergünstigungen und Leistungen der WestLB, die in der Vergangenheit gewährt wurden, offen zu legen.“ Nur damit könne verhindert werden, „dass sich der quälende und endlose Prozess fortsetzt“, so Löhrmann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen