piwik no script img

Unsicherer Drittstaat

An der tschechischen Grenze wurde ein anerkannter Flüchtling festgenommen

Berlin (taz) – Süleyman S. ist in Deutschland als politischer Flüchtling anerkannt. Trotzdem droht ihm die Abschiebung in die Türkei – aus Tschechien. Wie gestern bekannt wurde, hatten tschechische Grenzpolizisten den türkischen Staatsbürger festgenommen, als er in der vergangenen Woche mit drei Freunden zu einem Kurzurlaub nach Prag fahren wollte. Am Grenzübergang winkten deutsche Grenzschützer das Auto der vier Reisenden heraus und übergaben ihre Pässe den tschechischen Kollegen. Es folgten stundenlanges Warten, eine ergebnislose Durchsuchung des Fahrzeuges und schließlich die Festnahme der Insassen.

Die Begleiter von S. konnten die Reise fortsetzen, der 36-Jährige sitzt seitdem im Gefängnis. Grund für seine Festnahme ist ein Interpol-Eintrag von 1994. Die türkischen Justizbehörden beschuldigen S., er sei ein hoher Funktionär der Oppositionspartei TKP/ML, und fordern deshalb seine Auslieferung. Genau dieser Vorwurf veranlasste die deutschen Behörden, S. als politischen Flüchtling anzuerkennen.

Für die Forschungsgesellschaft Flucht und Migration zeigt der Fall, dass politisch Verfolgte weder in Deutschland noch im sicheren Drittstaat Tschechien ein Recht auf Unversehrtheit genießen. Als Flüchtling, der hier politisches Asyl genießt, ist S. deutschen Staatsangehörigen rechtlich gleichgestellt und kann sich in Europa frei bewegen. Dirk Hempel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen