Auf Du und Du mit Zwangsarbeit: Zwangs-Debatte
■ Interview mit Cees Ruyter über seine Zeit als Zwangsarbeiter und Entschädigung
Als es gestern in der Bürgerschaft um die Entschädigung von Zwangsarbeitern ging, saß auch Cees Ruyter auf der Besuchertribüne. Der ehemalige Zwangsarbeiter war eingeladen worden, um abends im Rathaus über seine Erfahrungen als Zwangsarbeiter bei der AG Weser zu erzählen. Mit der taz sprach der Holländer über die Bürgerschafts-Debatte und den Umgang mit der Zwangsarbeiterfrage.
taz: Sie haben gerade die Debatte um Entschädigung verfolgt, wie geht es Ihnen dabei?
Cees Ruyter: Ich glaube, es ist zum ersten Mal, dass ein Parlament so etwas nach vorne schiebt. Das ist gut. Ich bin jetzt 75 Jahre und es geht mir gut. Ich brauche keine Entschädigungen. Aber für die Leute, die es nötig haben, hoffe ich, dass es nicht so lange dauert. Viele leben von der Sozialhilfe, die haben es nicht so leicht.
Wie wirkt der heutige Antrag in der Bürgerschaft auf Sie – 50 Jahre später?
Ja, das ist spät. Es hat lange gedauert und es dauert noch immer lange. Je länger man wartet, desto weniger Leute gibt es. Das geht ja schnell jetzt, die meisten sind über 75. In unserem Verein zum Beispiel, gab es erst 40-50 Leute. Jetzt vielleicht noch 15 bis 20. Da schämt man sich, zu sehen, dass sie heute nichts haben und krank sind. Dann ist man froh, dass man noch so gehen kann.
Sie haben auch die Rede von dem DVU-Abgeordneten Tittmann mitbekommen?
Jaja, über die „sogenannten Zwangsarbeiter“.
Tut das nicht weh, so etwas zu hören?
Ich sage nur, lass die mal plaudern. Ich weiß es ja besser. Und ich habe ein dickes Fell. Ich hab so viel erlebt.
Wie geht man heute mit dem Thema Zwangsarbeit um?
Erst seitdem ich in Ruhestand bin, denke ich wieder an die Zeit. Dann kommt auch Bremen wieder zurück. Die ältere Generation in Holland hat nie danach gefragt. Die junge Generation, die sind interessert und fragen: Was ist gewesen vor 50 Jahren.
Früher haben Sie nie darüber gesprochen?
Nein, erst jetzt. Damals, als wir nach Hause zurück gekommen waren, haben wir erstmal Arbeit gesucht. Wir galten ja als Menschen zweiter Klasse, weil wir für die Deutschen gearbeitet haben.
Wie alt waren Sie, als Sie nach Deutschland kamen?
19 Jahre. Die Behörden damals haben gesagt, wenn ich gehe, kann die Familie bleiben. Aber das war Quatsch. Ich war noch nicht eine Woche in Deutschland, da waren die anderen schon da. Zwei Drittel vom Dorf kamen weg.
Sie haben zwei Jahre auf der AG Weser für die deutsche Militärmaschinerie gearbeitet. Haben sie heute gesundheitliche Schäden durch die Zeit?
Gott sei dank nicht. Aber wenn ich das jetzt erleben müsste, wäre das mein Tod. Wir hatten wenig zu essen. Und am schrecklichsten waren die Füße. Es gab keine Schuhe. Nur Holzschuhe. Aber es war kalt auf der Werft.
Verfolgen Sie die Debatte um Entschädigungen?
Ja. Interessiert hat mich das. Aber die Hoffnung auf Wiedergutmachung ist schon lange tot, als die AG Weser damals pleite gegangen ist. Sie gehörten damals zu Krupp. In Holland bekommen wir aber mit 65 eine Rente. Ich glaube das sind vielleicht 1.100 Mark pro Person. Je nach Pension.
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