Berlin in dritter Museumsdimension

Es ist wieder so weit: Heute steigt die lange Nacht der Museen. Die Palette reicht von Beuys bis zu Virchows offenen Geschwüren

Zum siebten Mal tummeln sich heute Kunstinteressierte und solche, die versehentlich anstatt in einen BVG-Bus in eine Shuttle-Linie eingestiegen sind, auf der langen Nacht der Museen. Mehr als 50 Kunstprojekte und Ausstellungen stehen auf dem Programm, auf acht verschiedenen Routen werden sie von den Shuttle-Bussen angefahren. Zentraler Busbahnhof für die meisten Strecken ist der Schloßplatz. Dort können sich die Besucher ab 18 Uhr mit einer heißen Suppe vom HCC-Team aufwärmen.

Fast alle Museumshäuser haben Sonderveranstaltungen vorbereitet. Ab 19 Uhr präsentiert das Kreuzbergmuseum eine „Lange Nacht der Dritten Dimension“. Zu bestaunen ist das beliebteste Massenmedium von Anfang des letzten Jahrhunderts, nämlich die Kaiserpanoramen des Berliner Fotografen August Fuhrmann. Die dreidimensionalen Bildserien waren Vorläufer der Wochenschau und werden ab heute als Diaprojektion und in eigentümlichen Betrachtungsgeräten ausgestellt. Sie zeigen Motive aus 50 Jahren Berliner Geschichte, vom Einzug der kronprinzlichen Braut durch das Brandenburger Tor über die Grundsteinlegung für den Berliner Dom bis zur Fütterung der Schildkröten im Aquarium des Zoos.

Das Aquarium kann allerdings heute Nacht auch selbst besucht werden. Die Zoologen preisen ihr neues Haifischbecken an, auf 140.000 Liter vergrößert und mit einem für Deutschland einmaligen künstlichen Korallenriff bestückt, hinter dem der Riesen-Zackenbarsch auf Beute lauert. Den Besuchern dagegen werden durchaus Snacks angeboten, dazu Livejazz und Didgeridoo-Musik.

Im Martin-Gropius-Bau wird die Ausstellung „Leonardo da Vinci: Joseph Beuys“ eröffnet. Erstmals in Deutschland ist Leonardo da Vincis Codex Leicester zu sehen, mit Naturbeobachtungen in Spiegelschrift geschrieben, die Beuys 1974 zu seinen Codices Madrid inspirierten. Nach der offiziellen Eröffnung sind die Kunstwerke ab 21 Uhr frei zugänglich.

Das Medizinhistorische Museum zeigt sozusagen das Beste aus 100 Jahren offenen Geschwüren. Rudolf Virchow hatte einst 23.000 Präparate zusammengestellt, die größtenteils im Krieg zerstört wurden. Nach der Wiedereröffnung der ersten Etage 1998 können die Besucher nun immerhin 1.000 Fehlbildungen, Tumore oder Raucherlungen bestaunen, heute sogar musikalisch begleitet von Livemusik aus Virchows Zeiten.

Unter dem Titel „Sterling Gold“ präsentiert das Bröhan-Museum um 21 Uhr eine Modenschau mit Abend-, Ball- und Cocktailmode der 50er- und 60er-Jahre. Begleitend dazu werden Cocktails gereicht. Krimifreunde, die immer schon mal wissen wollten, wer im „echten“ Polizeialltag den Wagen holt, können das ab 19 Uhr stündlich in der Polizeihistorischen Sammlung erfahren. Dort demonstrieren Polizeibeamte ihre Arbeit an einem nachgestellten Fall. Frauke Niemeyer