: „Verjüngung in allen Gremien“
■ Über zu hohe Spielergehälter, fehlende Rückendeckung und „moderne Sippenhaft“: FC St. Paulis Marketingchef Götz Weisener im taz-Interview über die Probleme des Zweitligisten
taz: Die „Starclub“-Kampagne hat ein positives Echo bei Fans und Medien hervorgerufen. Was hat sie wirtschaftlich gebracht?
Götz Weisener: Nach dem dritten Jahr Zweite Liga ist es ein Erfolg, dass wir Umsatz und Werbe-Auslastung stabil halten konnten. Die Deutsche Städtereklame behauptet, dass wir werbemäßig mit das am besten ausgelastete Zweitliga-Stadion haben. Das liegt zum Teil auch an unserer Kampagne.
Wird Ihre Arbeit im Verein anerkannt?
Nein, und ich weiß auch, dass wir dort nicht viele Freunde haben. Andererseits sollte man sich Anerkennung für das, was man tut, da holen, wo die Leute den Wert der Arbeit überhaupt einschätzen können. Dass wir nicht beliebt sind, liegt natürlich auch daran, dass wir ständig etwas einfordern: Wir verlangen von allen Teilen des Vereines, dass sie in einer bestimmten Art nach außen auftreten. Das ruft zunächst einen gewissen Widerwillen hervor. Dazu kommt, dass alle möglichen Leute behaupten, man könnte viel mehr Geld herausholen.
Solche Kritik kam ja auch vom alten Aufsichtsrat. Der aber ist ja nun abgewählt.
Aber er wirkt noch nach ... Außerdem sind gewisse Einsichten immer noch nicht eingekehrt: So wurde auf der letzten Jahreshauptversammlung behauptet: „Viel Fleiß – kein Preis“. Klingt wie „Sie haben sich stets bemüht“. Im Grunde genommen eine Unverschämtheit. Und Ex-Aufsichtsratschefin Tatjana Groeteke sprach vom „schlechtesten Marketingvertrag der Liga“. Dazu muss man sagen: Ein Teil unserer Gewinne – und das ist ja jahrelang öffentlich debattiert worden – fließt an Präsident Heinz Weisener zurück.
Sieht man das als Kosten, ist es natürlich ein unerfreulicher Marketingvertrag. Es handelt sich aber um nichts weiter als die Zurückzahlung investierten Kapitals. Das wäre bei keiner Bank anders. Vielleicht fungiert Weisener Senior in manchen Köpfen aber noch als „Schenker“. Ich glaube jedenfalls, dass der Verein ganz gut eine Verjüngung verkraften könnte – auf allen Gebieten und in allen Gremien.
Noch mal zur Vergangenheit: Gab es denn Gespräche mit den Kritikern aus dem Aufsichtsrat ?
Anfangs schon, aber die Tatsache, den Namen Weisener zu haben, reicht für manche Leute schon aus, um ein Feindbild zu generieren. Egal, ob die Arbeit gut oder schlecht ist. In manchen Köpfen herrscht da noch die moderne Sippenhaft.
Von Ihnen stammt der Satz „Der Verein muss wie ein lebendes Wesen behandelt werden, der Sozialisationsprozessen unterliegt.“
Wir müssen einfach neue Zuschauerkreise erschließen. Das geht nur, wenn man sich vernünftig und sympathisch verkauft. Und natürlich guten Fußball spielt (lacht). Der Verein muss einfach einen Verjüngungsprozess durchmachen: Der Jugendforscher Opaschowski hat gewarnt, die Vereine würden den Nachwuchs verlieren, wenn es ihnen nicht gelingt, verstaubte Images abzulegen. Man muss natürlich aufpassen, dass nach einer Umstrukturierung des Profisport-Bereichs der Verein nicht zum lästigen Anhängsel verkommt... Der Verein hat sich noch nicht gefunden. Man lauscht in sich hinein und ist schwer ergriffen.
Zu einem anderen Thema: Wie wichtig ist das neue Stadion?
Dem Verein fehlen derzeit grundlegende wirtschaftliche Möglichkeiten: Mit einem ordentlichen Business-Bereich kann ein Proficlub fast so viel verdienen wie mit dem gesamten Stehplatzbereich. Neulich wollte ein Unternehmen bei uns eine Betriebsfeier mit 250 Leuten machen. Immer häufiger müssen wir so etwas ablehnen. Die Leute sagen dann, ihr seid ja wohl von gestern, beim HSV geht das schon lange.
Ist das der Hauptgrund für den Stadionneubau?
Man sieht ja, wie baufällig alles ist. Das Bezirksamt Mitte hat uns die Genehmigung für den Betrieb des Stadions nur unter der Bedingung erteilt, dass wir neu bauen. Die Haupttribüne ist betonsanierungsbedürftig und hat eine Asbestdecke, im Moment umkleiden wir jede rostige Eisenstange mit Werbung – es hat keinen Sinn, da noch Geld reinzustecken. Allein die Sofortinvestitionen würden 20 Millionen Mark kosten. Und dann haben wir unser strukturelles Defizit immer noch nicht überwunden
Wie hoch sind die Zuschauereinnahmen?
Im besten Fall kommen wir auf 3,5 Millionen. Was wollen Sie damit bewegen? Der VFB Stuttgart hatte in der Saison, in der wir abgestiegen sind, 25 Millionen – die Höhe unseres Gesamtetats. Dennoch: Wir haben nicht primär ein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem.
Gutes Stichwort: Wie schafft es ein Verein wie Unterhaching, bei 3000 Zuschauern wirtschaftlich gesund zu sein. Und dann noch aufzusteigen?
Das liegt ganz wesentlich an den Spielergehältern. Hier gehen einige immer noch mit sehr hohen Summen nach Hause. Im Gegensatz zu Herrn Beutel haben frühere Manager nicht darauf geachtet, dass entsprechende Klauseln für den Abstieg eingebaut werden. Der Verein hat einfach viele Jahre über seine Verhältnisse gelebt. Das ist dann immer durch den Präsidenten subventioniert worden. Das böse Erwachen kommt jetzt. Wir müssen weiter sparen, sonst werden wir das Ganze gar nicht überleben.
Zur aktuellen Situation: Kein Vermarkter, kein Ausrüster, kein Hauptsponsor. Wie gehts weiter?
Nächste Woche ist die Internationale Sport Ausstellung in München. Da sind alle europäischen Ausrüster vor Ort. Ums mal positiv zu sehen: Es kommt ja wie gerufen, dass jetzt auch die Brust frei ist: Da kann man dann das neue Trikot gleich mit dem neuen Hauptsponsor auf den Weg bringen. Zumal sich in den vergangenen drei Jahren die Preise für Trikotwerbung deutlich erhöht haben.
Zum Vermarkter: Wer erhält am Ende den Zuschlag?
Das wird sich zeigen. Klar ist, dass wir es uns nicht leisten können, irgendeinen Interessenten von vorneherein auszuschliessen.
Nun stand ja vor zehn Tagen der Stand der Verhandlungen detailliert in der Boulevardpresse. Inwiefern beeinflusst so etwas die Verhandlungen?
Ich finde solche Indiskretionen unmöglich. Ich finde sie tödlich. Wenn man seriös arbeiten will, müssen Namen und Konditionen möglichst hinter verschlossenen Türen bleiben. Das läuft in unserem Verein nicht gut – was auch daran liegt, dass man kein Geld für einen Medienkoordionator hat. Und das sind Dinge, an denen man eigentlich nicht sparen darf.
Interview: Christoph Ruf
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