: Abschiebungs-Roulette
■ Protest gegen Sammelanhörungen von Schwarzafrikanern in Ausländerbehörde
Dieses Mal ist es ein Botschafter aus Gambia, der für zwei Tage in der Hamburger Ausländerbehörde residiert. Heute und morgen führt die Ausländerbehörde einem Vertreter des afrikanischen Landes Flüchtlinge vor, um deren Identität zu überprüfen und ihnen Papiere für die Ausreise auszustellen. Flüchtlinge und MigrantInnen sowie deutsche UnterstützerInnen rufen für Dienstag zur Protestkundgebung vor der Ausländerbehörde auf.
Voriges Jahr waren bereits ein ivorischer und ein liberianischer Botschaftsangehöriger in der Ausländerbehörde zu Gast. Pro Tag hatte diese, wie sich aus der Antwort auf eine kleine Senatsanfrage ergibt, 40 Flüchtlinge zur Identi-tätsklärung vorgeladen. Die „Sammelinterviewtermine“ sollen das Beschaffen von Ausreisepapieren effektivieren, so die Ausländerbehörde.
Was sie als „Effektivierung“ beschreibt, nennt Reimer Dohrn ein „Blinde-Kuh-Spiel“. Er ist Vormund des Liberianers Prince Jackson, der heute zum zweiten Mal zu einer Massenanhörung vorgeladen ist. Der liberianische Botschafter, dem er zuvor vorsprechen musste, hatte es abgelehnt, ihm Papiere auszustellen. Vielmehr mutmaßte er gegenüber der Ausländerbehörde, Jackson könne aus Ghana oder aus der Elfenbeinküste kommen – obwohl er kein Französisch spricht.
Umso „unsinniger ist es, dass Sie jetzt eine dritte Nationalität ins Spiel bringen“, schreibt Dohrn in einem Brief an die Innenbehörde. Er weist darauf hin, dass der verzweifelte Versuch des Amtes, ein Land zu finden, welches sich zur Aufnahme abgeschobener Flüchtlinge bereit erklärt, für diese „tragische Folgen“ hat.
Die hat ein anderer Liberianer bereits zu spüren bekommen. Auch der 20jährige Cho hat vom liberianischen Botschafter keine Papiere bekommen. Das interpretierte die Ausländerbehörde so, dass der Junge seine „Identität verschleiere“, mithin seine Abschiebung verhindere. Mit der Konsequenz, dass das Arbeitsamt Cho die Arbeitserlaubnis entzog und er nach zweijähriger Lehre seine Ausbildung zum Elektroinstallateur abbrechen musste.
Elke Spanner
Demo am Dienstag, 11 Uhr, Amsinckstr. 28
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