Pro Nachmittag ein Deckchen

Frauen schlagen zurück: im Häkel-Club (ab 15.30 Uhr)

Männer wollen wieder Männer sein und schauen sich Filme wie „Fight Club“ an, in denen Männer sich gegenseitig die Fresse polieren, weil sie laut Brad Pitt die Generation sind, die von Frauen nichts mehr zu erwarten hat. Da kann ich nur lachen. Denn wir sind die Frauengeneration, die von Männern nichts mehr zu erwarten hat. Wir sind die Generation, die auf die Frauenbewegung pfeift. Und wir wissen, dass Karriere und Konsum uns nicht weiter bringen. Lange wussten wir nichts mit uns anzufangen. Sehr lange. Haben Liebhaber verschlissen, Gleichstellungsgesetze durchgeboxt, Analysen absolviert, als Journalistinnen für Truck-Treff und Soldat und Technik gearbeitet, Bauchtanz geübt, makrobiotische Ernährung ausprobiert, alle Kontinente und die Venus bereist, Häuser auf dem Land gekauft und Gedichte geschrieben, alles ausprobiert – besser ging es uns trotzdem nicht.

Seit Kosmetik, erlesene Unterwäsche und edle Düfte Herrenartikel geworden sind, ist uns der letzte magere Rest weiblicher Identität abhanden gekommen. Seit halbnackte Männer auf jeder zweiten Illustriertenseite prangen, Puffs für Frauen eingerichtet worden sind und immer mehr Männer ihre Geliebten mit Pussy-Pleasern und Doppel-Diabolos beglücken möchten, können wir Interesse an Sex nicht mal mehr heucheln. Und seitdem unsere Großmütter uns Undank gegenüber der Frauenbewegung vorwerfen und Bundeskanzleramt und Vatikan separate Frauenstudiengänge für Ingenieurinnen und Naturwissenschaftlerinnen sponsern, haben wir auch keine Lust mehr zu arbeiten.

Wenn die Kerle von heute regelmäßig für uns kochen und selbstverständlich auch das Badezimmer wischen, empfinden wir weder Befreiung noch Triumph. Uns befällt stattdessen ein Gefühl der Leere, wir können nur noch migränegeschüttelt ins verdunkelte Schlafzimmer flüchten und uns feuchte Kompressen auf die Schläfen legen. Oder aber einen unserer geheimen Clubs aufsuchen.

Wir treffen uns in muffigen Hinterzimmern von Cafés, Eisdielen und Kegelbahnen ab 15.30 Uhr bei Kaffee und Kuchen und einem Fingerhut süßen Likörs. Unsere Mitgliederinnen sind Angestellte, Hausfrauen, Politikerinnen, Bademeisterinnen, Internet-Brokerinnen, Bahnbeamtinnen, Studentinnen, Funk- und Fernsehtechnikerinnen. Schwarz, blond, rothaarig oder braun, blutjung und steinalt, hübsch und hässlich, arm und reich, verheiratet und geschieden – Frauen jeder Couleur.

Wir kennen uns nur mit Vornamen und sprechen ausschließlich über unser Projekt. Jede Frau bringt zu den Zusammenkünften einen Eisenstiel mit einem kleinen Haken, eine zierliche Schere und Garn in zwei verschiedenen Farben mit. Einige haben komplizierte Zeichnungen und verschlüsselte Muster dabei. Fingerfertigkeit und Ausdauer neuer Mitgliederinnen werden im Topflappentest sorgfältig geprüft. Ist der Topflappen ohne Knoten und Knöllchen fehlerfrei und glatt gehäkelt und nicht durch ungewaschene Hände verschmutzt, wird die Aspirantin in den Club aufgenommen und erhält zum Zeichen ihrer Mitgliedschaft einen silbernen Fingerhut. Unsere Gesetze sind einfach und klar. Erstes Gesetz: Kein Wort über den Häkel-Club. Zweites Gesetz: Kein Wort über den Häkel-Club. Drittes Gesetz: Kein Wort über den Häkel-Club. Viertes Gesetz: Pro Nachmittag ein Deckchen. Fünftes Gesetz: Muster und Farbe darf jede Frau selbst bestimmen.

Wenn heute aus Wollresten gefertigte Jäckchen und Häkeltops getragen werden, kunstvoll umrandete Taschentücher, Umhängetaschen und Klorollenüberzüge wieder „in“ sind, ist das kein 70er-Jahre-Retro-Trash, sondern unser Zeichen. Und die Zukunft. Denn wir sind viele. Und wir werden immer mehr. Und werden es nicht bei Häkel-Nachmittagen an geheimen Treffpunkten belassen.

Berit Sörensen