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Kein Grund zur Panik

Holocaust-Konferenz von Stockholm diskutiert über Nazipropaganda im Internet

Die Konferenz hatte eigens eine Sektion dafür eingerichtet („Use and Misuse of the Internet“). Doch in auffälligem Gegensatz zu manchen Statements von Politikern kam es zu keinem Ausbruch in Moralpanik. Wohltuend entspannt vielmehr wurde das Thema auf seinen sachlichen Kern reduziert. Gewiss, es gibt sie, die Nazis im Internet. Doch eine ernste Gefahr sind sie deshalb noch lange nicht, und die Gegenaufklärung scheint vielfach massiver.

Mark Weitzman vom Simon-Wiesenthal-Institut hat das Wachstum der rechten „Hassseiten“ seit 1994 verfolgt. Damals fand er eine einzige. Jetzt kommt er auf eine Liste von rund 2.000 Homepages, deren Zielscheibe neben Juden auch Farbige, Homosexuelle und Katholiken sein können.

Eine vermutlich eher zu niedrig gegriffene Zahl, kann man doch allein in einem relativ kleinen Sprachraum wie dem schwedischen schon rund 100 Naziseiten finden. Die Spezies wächst, jährlich kommen weltweit 500 bis 600 hinzu. „Früher saßen sie isoliert in ihrer eigenen Hasswelt, jetzt können sie sich mächtig fühlen, als Teil einer großen internationalen Bewegung“, sagt Weizman und warnt dennoch vor einer Übertreibung der Gefahren. Zwar seien schon jetzt regelmäßig 5 Millionen Kinder im Internet unterwegs und es gebe auch speziell auf Kinder zielende Rassismuspropaganda. Doch was seien 2.000 Homepages unter 5 bis 6 Millionen und angesichts der Tatsache, dass es gleichzeitig genügend „Gegenmaterial“ zu finden gebe?

Fü den deutschen Sprachraum wurde besonders auf die vorbildliche Daten- und Linkbasis des Goethe-Instituts verwiesen. Insgesamt ergab sich eher das Bild des Internets als eines Instruments der Aufklärung denn der Hasspropaganda. Auch der Schwede Ola Larsmo warnte vor einer „Mystifizierung“: Was sei eigentlich – außer der Form – der Unterschied zum Aufkommen massenproduzierter Presse, in der sich die Bevölkerung nun orientieren müsse? Schließlich sei es auch gar nicht so schwer, den hinter den braunen Seiten stehenden Personen und Organisationen auf die Spur zu kommen und ungesetzliches Material zu entfernen. Davon allerdings hält Larsmo nicht viel: „Leute, die ihre vorgefasste Meinung bestätigt sehen wollen, wird es sowieso immer geben. Und glaubt man an die Demokratie, muss das Internet unzensiert sein.“

Reinhard Wolff

reinhard.wolff@home.se Links zu Infos über braune Hass- und Propagandaseiten:

www.hatewatch.org www.media-awareness.ca/eng/ issues/internet/hintro.htm

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