: Getöpferte Wiedergutmachung
■ Kids aus Bremen-Kattenesch entschuldigen sich bei Behinderten
Kattenesch hat eine kleine Premiere erlebt. Ein Wiedergutmachungstreffen. Die Besetzung: zwei Polizisten, ein Geschädigter, 20 Kinder sowie einige Sozialpädagogen. Die Presse nicht zu vergessen – um die die kindlich-rabaukige Reue zu dokumentieren. Deren Anlass: Übergriffe auf Behinderte im Stadtteil. Stellvertretend für diese nahm der Leiter einer Behindertenwerkstatt die Entschuldigung in Form von selbstgetöpferten Aschenbechern und einem Obstkorb (vom Taschengeld erspart!) an.
Seiner Werkstatt hatten die rabaukigen Kinder aus der Nachbarschaft außerdem die Scheiben zerdeppert. Das und die böse Anmache von Behinderten war Anlass für die Polizisten, das zur Wiedergutmachung versammelte Dutzend Kids zwischen fünf und vierzehn zu mahnen: „Als wir klein waren haben wir auch mal Mist gebaut. Das macht jeder mal.“ Aber unter Nachbarn müsse man sich „so benehmen, dass wir uns noch gegenseitig aufs Fell gucken mögen“. Es fällt das böse Wort „Straftat“. Die Kinder hier wissen, was gemeint ist – nicht nur, weil die Eltern 1.800 Mark für die Scherben bezahlen werden – wofür der „Väterrat“ des Viertels noch sammelt.
„Libanesensiedlung“ heißt die Gegend hier unter Polizisten – worüber die Kleinen sich empören. „Ich bin Somalier. – Meine Eltern kommen aus Bosnien. – Wir aus der Türkei“, quietschen sie durcheinander. Andere umringen den gerade eingetroffenen Kontaktbereichsbeamten. „Pute, Pute, ich hab ein Messer in der Tasche!“ rufen zwei Steppkes fröhlich. Ein Halbwüchsiger reckt ihm die Hände entgegen. Wie für Handschellen. „Nimm mich mit, Pute!“ Thomas Pute lacht. „Heute nicht.“ Dass ihn die Kinder im Viertel kennen, ist für den Mittvierziger und seine Kollegen ein Erfolg. Wie auch die rauhen Scherze. Die Kleinen sind für die Ordnungshüter eine wichtige Zielgruppe. „Die werden hier bleiben und müssen lernen wo's langgeht.“
Seit August streifen „Pute“ und die anderen Kontaktbereichsbeamten durch die Siedlung. Das grün-weiße Ledermützchen immer auf dem Kopf. Auch, wenn er in den Jugentreff „Dar Al Salam“ („Haus des Friedens“) hinter der Schule Theodor-Billroth-Straße kommt. Dort spricht man jetzt öfter über Behinderte. „Bis du auch behindert?“, fragen Steppkes deshalb Unbekannte unbefangen. Sozialarbeiter Mounir El-Seri erklärt: „In der orientalischen Kultur werden Behinderte oft versteckt.“ Die Kinder müssten noch viel lernen. ede
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