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■ Normalzeit

Annette Fugmann-Heesing – ein Nachtritt ■ Von Helmut Höge

Schon bei Amtsantritt hatte die „streitbare“ SPD-Finanzsenatorin alle halb feministischen Journalisten in den staatstragenden Großmedien hinter sich. Dabei ist Annette Fugmann-Heesing trotz ihrer dynamisch-hochgeföhnten Kurzhaarfrisur bloß dumpf-mütterlich, insofern sie wie jede „bessere Hälfte“ eisern den heimischen Haushalt konsolidierte. Aber sie gehörte zu jener Sorte moderner SPD-Politiker, die lieber über die Medien „kommunizieren“, als mit der Parteibasis zu „reden“. Das mag bei einem fürs Nationale zuständigen Kanzler hingehen, aber nicht bei einer für die Finanzen verantwortlichen SPDlerin, deren Politik darin besteht, ihre eigene Kernwählerschaft – in den aufgeblähten, gut ausgestatteten Stadtbetrieben sukzessive abzuwickeln, d.h. in die Arbeitslosigkeit und damit in einen rechten Ausländerhass zu entlassen. Selten gab es eine instintklosere SPD-Politikerin: „Die Stadtbetriebe zu verschachern, das ist das Allerletzte, wozu sich ein Sozialdemokrat hingeben darf“, meinte ein Parteigenosse. Günter Grass unkte: „Wenn man sich von der eigenen Tradition verabschiedet, dann gibt man sich auf.“ Ein Industriesprecher sagte es so: „Der Umbau der Gesellschaft ist nur unter sozialdemokratischer Führung ohne große Streiks und Unruhen zu bewerkstelligen!“

Im Vorfeld der ersten Privatisierungen kam es dennoch zu Protestversammlungen. Aber die Belegschaften und ihre Sprecher waren in den Jahren der segensreichen Teilung in beiden Stadthälften derart verfettet, dass dabei außer lauten Klagen und leisen Rufen nach der verkitschten Vergangenheit vor 89 keine großen Kampfmaßnahmen mehr rauskamen. In vielen West-Stadtbetrieben hatten sich die sozialdemokratischen Betriebsgruppen längst aufgelöst: BSR, Bewag, Gasag, Wasserwerke – das waren spätestens seit Willy Brandt reine SPD-Betriebe geworden. Was sollte da noch eine eigenständige Betriebskampfgruppe? Die Parteispitze begriff deren Siechtum dann auch eher als ihren Sieg. Und als 1997 auf einem Sonderparteitag zum „Verscherbeln des Tafelsilbers“ die davon betroffenen Arbeitnehmer maulten und mobilisierten, wurden sie als „Trotzkisten aus der ÖTV“ gescholten.

Dass es auch anders geht, bewiesen viele der ebenfalls sozialdemokratisch regierten Stadtbetriebe im Ruhrgebiet: Sie gingen auf Expansionskurs. Die Wirtschaftswoche warnte: „Viele deutsche Großstädte legen sich in einem Tempo neue Geschäftsfelder zu, als wollten sie die versunkene Ära schlechter Mischkonzerne wieder aufleben lassen ... Motto: Erlaubt ist, was Geld bringt!“ Das mag sich umgekehrt auch die Fan-Journaille der Senatorin, deren Kern aus einem halb privaten feministischen WG-Braintrust von Fugmann-Heesing bestand, angesichts ihrer Privatisierungspolitik gedacht haben. Die verwinkelten Meinungsbildner der eher präfeministischen SPD-Bezirksorganisationen mussten lange quengeln und quetschen, bis sie diese Finanzsenatorin wieder loswurden: „Mit Fugmann-Heesing sitzt Klaus Böger öfter zusammen als mit seiner Frau“, hieß es noch 1997. Zumal nach dem Wahldebakel des „Projektentwicklers“ Momper wissen Böger und Strieder aber nun, dass die Berliner SPD mit einem CDU-Finanzsenator à la Pieroth weitaus besser fährt: 184 Seiten umfasste 1993 dessen Liste mit sämtlichen „Beteiligungen des Landes Berlin“. Unter „Privatisierung“ werden Beteiligungen des Landes „an einem privatrechtlichen Unternehmen“ verstanden. Bis 1994 wurden nicht weniger als 19 Stadtbetriebe neu gegründet beziehungsweise hinzuerworben. Mit Fugmann-Heesing ging es dann andersrum. „Die Privatisierung verliert ihr Schreckensbild“, titelte am Ende ihre Tagesspiegel-Wirtschaftsredakteurin Antje Sirleschtov ebenso verlogen wie daneben. Nun sind wir aber Gott sei Dank erst einmal die schreckliche Finanzsenatorin wieder los.

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