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Jeder liebt Piepmätze

■ Der FDP-Vorsitzende Claus Jäger erklärt, warum die Ampel-Koalition zwar erfolgreich, aber dennoch zum Scheitern verurteilt war

taz: Herr Jäger, hat sich Ihre Sicht der Ampel-Koalition in den letzten fünf Jahren gewandelt?

Claus Jäger: Natürlich sehe ich das heute viel gelassener, aber in der Sache bleibt meine Beurteilung dieselbe: Ganz entgegen landläufiger Auffassung hat diese Koalition für Bremen viel bewegt. Dazu stehe ich. Die ständige Reibung zwischen Grünen und FDP war ungeheuer anstrengend, aber produktiv. Fast alles, was die große Koalition heute umsetzt, haben wir damals angeschoben. Dennoch war das Ende der Koalition konsequent.

Wäre der Koalitionsbruch vermeidbar gewesen?

Beim Misstrauensvotum gab es kein Zurück mehr. Wir hätten unsere Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt, wenn wir für den grünen Umweltsenator Ralf Fücks gestimmt hätten, nachdem der die Vogelschutz-Meldung an Senat und Bürgerschaft vorbei gerechtfertig hatte. Vorher haben wir allerdings Angebote gemacht: Wir waren bereit eine grüne Nachfolgerin von Fücks zu wählen.

Aber dafür hätte Fücks freiwillig zurücktreten müssen ...

Ja, aber das wollte er nicht. Die Ampel war im Stimmungstief. Die anfägliche Begeisterung über die Auseinandersetzungsfähigkeit war der Kritik am Dauerstreit in der Koalition gewichen – auch gerade in der Presse. Nachdem SPD und Grüne bei der Bundestagswahl 1994 in Bremen auf zusammen 58 Prozent gekommen waren, spekulierten sie auf eine Koalition ohne die FDP. Wir hatten daher keine andere Wahl.

Geholfen hat der Koalitionsbruch der FDP aber nicht.

Nein, damals ist das Opfer sozusagen zum Täter gemacht geworden. Dazu hat auch die taz-Wortschöpfung von der „Piepmatz-Affäre“ beigetragen. Jeder liebt doch Piepmätze, und wenn die FDP das nicht tut, ist sie natürlich der Buhmann. Diese Verniedlichung verdeckte das ernste Problem, dass per Vogelschutz die Entwicklung Bremens auf lange Sicht blockiert wurde.

Wissen Sie von einem einzigen Gewerbegebiet, das am Vogelschutz gescheitert wäre?

Bisher noch nicht, weil wir damals im großen Maßstab Gewerbeflächen reserviert haben, von denen Bremen noch zehren kann. Das Entscheidende ist, dass die Flächen im Umland nicht geschützt sind. Bremen hat dagegen langfristig seine Planungshoheit abgegeben. Der Senat müsste versuchen, mit der EU einen Ausgleich zu finden: Etwa, wir melden zehn Prozent der Landesfläche als FFH-Gebiete, dafür wird ein Drittel der 1994 gemeldeten Flächen wieder aus dem Vogelschutz herausgenommen.

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