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Uni-Präsident bangt um Wiederwahl

Herausforderer aus USA ist Amtsinhaber Meyer auf den Fersen

Plötzlich ist alles wieder offen. Wenn die Humboldt-Universität (HU) am Montag ihren neuen Präsidenten wählt, muss Amtsinhaber Hans Meyer bangen. Denn Herausforderer Gerhard Fischer, noch vor drei Wochen an der Hochschule völlig unbekannt, hat sich zum ernst zu nehmenden Kandidaten gemausert. Als sich die Bewerber diese Woche öffentlich vorstellten, konnte Fischer den meisten Beifall einheimsen.

Dabei schien die Wahl eigentlich schon gelaufen zu sein. Vor drei Wochen hatte sich Hans Meyer, Präsident der Humboldt-Universität, mit dem renitenten Kuratorium seiner Hochschule auf eine neuerliche Amtszeit von vier Jahren verständigt. Die Kuratoren wollten ihm eigentlich nur drei Jahre zugestehen, der 66-Jährige selbst hatte fünf Jahre gefordert.

Doch ins Nest des Wahlvorschlags legte das Gremium dem Präsidenten noch das Kuckucksei eines zweiten Bewerbers. So wird das Wahlgremium übermorgen darüber brüten müssen, ob es statt des Juristen Meyer lieber den elf Jahre jüngeren Fischer zum Präsidenten kürt, der derzeit an der University of Colorado ein „Zentrum für lebenslanges Lernen“ leitet.

An der Humboldt-Universität allerdings scheinen vor allem jene mit Fischer zu sympathisieren, die es mit dem lebenslangen Lernen nicht übertreiben wollen. Als Amtsinhaber hat Meyer den Nachteil, zu sehr in die Widrigkeiten des universitären Alltags und der Berliner Spardebatten verstrickt zu sein. Obwohl Meyer etwa der Forderung nach einem Kurzstudium vehement widersprochen hat, geht seine Reformbereitschaft den meisten Studentenvertretern schon viel zu weit.

Fischer dagegen erscheint vielen Universitätsangehörigen als der bequemere Kandidat. Seine überaus amerikanisch anmutende Kommunikationsfähigkeit, in akademischen Kreisen hierzulande eher unüblich, hat offenbar viele Humboldtianer überzeugt, denen er auf einer universitären Vorstellungstour in dieser Woche die Hand geschüttelt hat. Statt – wie in Berlin üblich – über „Strukturpläne“ und „pauschale Minderausgaben“ redet er lieber über „visionäres Denken“. So müsse die „Universität der Zukunft“ im Zeitalter der neuen Medien auch ein „neues Verständnis von Lernen“ entwickeln und mit einer „neuen Kultur der Zusammenarbeit“ das enge Fachdenken überwinden. Aus Amerika, verspricht der gebürtige Deutsche, werde er die „nachahmenswerten Modelle“ mitbringen – nicht ohne hinzuzufügen, dass manche amerikanischen Entwicklungen „nicht unbesehen übernommen werden dürfen“. Das dürfte Amerika-Gläubige wie Anti-Amerikaner überzeugen.

Gleichwohl erscheint es ungewiss, ob sich die Anti-Meyer-Stimmung in Teilen der Hochschule in einem Wahlerfolg Fischers niederschlagen wird. Schließlich hat Meyer vor allem unter den Professoren noch immer viele Sympathien – und diese Gruppe hat im Wahlgremium die Mehrheit. Ralph Bollmann

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