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Sänger als Nebenjob

Zwischen Kaffeeplantage und Dancehall-Reggae: Der Ex-„Black Uhuru“-Kopf Michael Rose besucht heute den Schlachthof  ■ Von Nils Michaelis

Das waren komische Vögel, die da in den frühen Achtzigern auf die Bühne des Rockpalastes gestürmt kamen. Sie trugen zackige Militärhosen, ihre Bewegungen wirkten seltsam herrisch, als wäre ein bekiffter Generalstab am Werk, und die Glut des Scheinwerferlichts war ihnen offensichtlich egal, denn ihre schweren Bikerjacken blieben demonstrativ am Leib. Doch diese Band war keine verfrühte Rammstein-Ausgabe, denn ihr Sound war sweet Reggae. Unter der süßen Oberfläche der Musik war Militanz allenfalls im Druck des Basses erkennbar, der Rest war der handelsübliche peacige Verbrüderungssoundtrack des Rootsreggae. Michael Rose, dessen Name wohl ewig mit dieser, seiner früheren Band Black Uhuru verbunden sein wird, trug damals die dickste Lederjacke, die zackigste Militärhose, und seine Dreadlocks waren massiv wie Ankertrossen. Ein abgekühlter Rose wird später über Black Uhuru sagen, dass alles, was glänzt, doch bitteschön nicht mit Gold zu verwechseln sei.

War die Musik gemeint oder das Image? Es gab einige Jahre, da galten Black Uhuru der Musikindus-trie als mögliche Goldgrube, prädestiniert, um auf dem seit King Bob brachliegenden Crossover-Markt abzusahnen. Demonstrativ wurde 1985 das 83er-Black Uhuru-Album Anthem mit einer der höchsten Auszeichnungen des Musikbiz dekoriert: dem Grammy. Ausgerechnet Anthem, jene Platte, die nach einer Reihe guter bis exzellenter Black Uhuru-Platten einen eher zweifelhaften Ausrutscher darstellte. Es war nicht zuletzt die militante Pose, die verhinderte, dass die Band ganz groß abräumte. Dafür war ihr ein sicheres Pöstchen im Mythenhaushalt des Reggae sicher, besetzten sie doch die Formel Militanz = Integrität, was zumindest die Miete zahlt.

Michael Rose hatte sich 1983 längst abgeseilt. Zusammen mit der Black Uhuru-Rhythmussektion Sly Dunbar und Robbie Shakespeare besang er die ersten Tracks für deren neugegründetes Taxi-Label. So wurde Rose unversehens zum Verbindungsmann zwischen dem old fashioned gewordenen Rootsreggae und dem fortan im Reggae dominierenden Dancehall-Stil. Doch irgendwie war hier schon nicht mehr seine Generation am Werk – die Jüngeren stellten die Platzhirsche. Während in der Folgezeit die experimentierfreudigen Sly & Robbie mit ihrem Ruf als groovy und disziplinierte Gentlemen eine solide Erfolgsgeschichte hinlegten, wurde es um Michael Rose eher still. Der ehemalige Guerillero hatte sich eine Kaffeeplantage zugelegt und wurde ein hauptberuflicher Farmer – mit einem Nebenjob als Sänger.

In den 80er und frühen 90er Jahren wurden Rose-Produktionen spärlicher, ohne allerdings ganz zu versiegen. Es herrschte kein Erfolgszwang, die Industrie hielt sich auffällig bedeckt, und lange fand sich kein Vertrieb, der ihn in den USA veröffentlichen wollte. So fiel Rose zwischen die Kategorien, er hatte es wohl nicht mehr nötig, bei den Großen des Dancehall mitzumischen. Als herausragender Sänger wäre ihm das vielleicht möglich gewesen. Der Mann, der in den späten Sechzigern mit gecroonten Interpretationen von Calypso-Standards und Rhythm-'n'-Blues-Num-mern in den Hotels von Montego Bay begann, galt immer als hochtalentierte Stimme. Fans loben, er sänge „mit dem Herzen, ohne diese aufdringlich klebrige Inbrunst auszustrahlen“.

Doch Rose blieb immer für positive Überraschungen gut. Unter der Regie des Heartbeat-Labels folgten ab 1995 unerwartet mehrere Veröffentlichungen, so dass Kritiker gar ein „George Foreman-style comeback“ am Werke sahen. Aber erst sein mit Mafia und Fluxy aufgenommenes 97er-Werk Dance Wicked geriet wirklich rund und zeigte, womit er sich einst in die obere Liga emporgesungen hatte. Dass indes seine größten Momente weit zurückliegen, weiß auch der Live-Entertainer Rose: Black Uhuru-Nummern sind immer noch unverbrüchlicher Bestandteil im Repertoire seiner Shows.

heute, 20 Uhr, Schlachthof

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