: Anschlag mit rätselhaftem Motiv
■ Auf das Restaurant Maxwell und ein Architekturbüro in Mitte wurde eine Buttersäure-Attacke verübt. Parallelen zu Kreuzberger Aktionen der frühen 90er-Jahre, doch in der Bergstraße fand keine Luxussanierung statt
Auf das Restaurant „Maxwell“ und ein Architekturbüro in der Bergstraße in Mitte ist am Sonntagabend ein Anschlag verübt worden. Nach Polizeiangaben zündeten drei Maskierte gegen 21 Uhr an der Kreuzung Bergstraße/Invalidenstraße Mülltonnen an und errichteten damit eine Barrikade. Zeitgleich fielen etwa zehn schwarz gekleidete Vermummte in den Innenhof des Hauses ein, in dem sich das Lokal sowie mehrere Betriebe befinden. Sie zerschlugen die Fensterscheiben eines Büros und eines Lagerraums des Restaurants. Auch bei einem Dekorationsbetrieb und dem Architekturbüros des Hauseigentümers Klaus L. gingen Scheiben zu Bruch.
Die Art und Weise des Anschlags erinnert an militante Aktionen, die die Gruppe „Klasse gegen Klasse“, Anfang der 90er-Jahre in Kreuzberg verübte. Das Maxwell, das sich damals in der Oranienstraße befand, wurde bereits 1987 überfallen. Eines Abends betraten Maskierte die Gaststätte und schütteten einen Eimer Fäkalien aus. Zu dem Angriff, der in der Kreuzberger Autonomenszene eine heftige Debatte auslöste, bekannte sich eine Gruppe namens „Kübel“.
Zu der jüngsten Aktion fehlt bislang ein Bekennerschreiben. Der polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen. Hauseigentümer L., der zufällig über den Hof lief, als die Gruppe einfiel, hält den Anschlag für sorgfältig geplant. „Die wussten genau, wo sie hinmüssen und wie sie wieder rauskommen.“
Nur drei Minuten dauerte der Spuk. „Ein Teil der Leute blieb hinter mir, einige überholten mich. Innerhalb von Sekunden gingen die Fenster an beiden Seiten zu Bruch. Niemand brüllte Parolen oder Befehle, man hörte nur das Glas klirren. Ich hab mich im Büro eingeschlossen und die Polizei angerufen. Bis die kam, dauerte es allerdings ungefähr zehn Minuten.“
Die Täter scheiterten bei dem Versuch, mit Hämmern die innere Scheibe eines Doppelfensters zum Architekturbüro zu zerstören. Eine Flasche mit Buttersäure, die offenbar für die Innenräume des Büros bestimmt gewesen war, wurde daraufhin im Hof fallen gelassen. Bei ihrer Flucht verriegelten die Täter das Hoftor mit einem Fahrradschloss, so dass niemand sie verfolgen konnte.
Ein Motiv für den Anschlag kann Hauseigentümer L. nicht erkennen. Die damaligen Übergriffe in Kreuzberg richteten sich „gegen die drohende Umstrukturierung des Kiezes durch den pseudoalternativen Mittelstand“. Laut L. gibt es jedoch beim Haus in der Bergstraße keinen Grund zum sozialen Protest. Das Haus, ein ehemaliges Brauereigebäude, sei bereits 1996 saniert worden. „Luxussanierung oder Mietervertreibung haben hier definitiv nicht stattgefunden. Ich kann mir das überhaupt nicht erklären, gerade deshalb bleibt ein Gefühl der Bedrohung.“
Der Mitinhaber des Restaurants „Maxwell“, Werner T., hat bereits 1987 das Fäkalienattentat in Kreuzberg miterlebt. Damals war er dort Angestellter und zog schließlich mit dem Restaurant nach Wilmersdorf um. T. bringt den neuen Anschlag auf das „Maxwell“ nicht mit der Kreuzberger Geschichte in Verbindung. „Wir haben unser Lokal in Wilmersdorf auch unter dem alten Namen betrieben, und in Mitte sind wir schon seit Ende 1995. Seitdem sind wir niemals bedroht worden.“ Die Fenster des Gastronomiebereichs, die ebenfalls zum Innenhof liegen und hinter denen sich Tische mit Besuchern befanden, hatten die Täter verschont. Welchem Betrieb der Anschlag nun genau galt, ist unklar. So bleibt ein Schaden von ca. 20.000 Mark für die Glasrechnung. Die Buttersäure konnte bereits entfernt werden.
Frauke Niemeyer
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