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Als Tiger gestartet, als Schuljunge gelandet

Berlins Bausenator und SPD-Vorsitzender Peter Strieder ließ in der jüngsten Vergangenheit keinen Fettnapf aus. Zuletzt hat er im Zusammenhangmit einem Dienstgeschenk sogar gelogen. Der Stern des einstigen Medienlieblings beginnt allmählich zu sinken ■ Von Ralph Bollmann

„Gestalten“ wollte der Berliner Senator und SPD-Landeschef Peter Strieder in seinem neuen Großressort für Stadtentwicklung. Fast zwei Monate ist Strieder jetzt im Amt – doch wenn der einstige Medienliebling in die Schlagzeilen gerät, sind sie meistens negativ.

Dass er seine Parteifreundin Annette Fugmann-Heesing aus dem Amt der Finanzsenatorin ins politische Abseits manövrierte, erfreute die Presse ebenso wenig wie seine Dienstflüge auf Kosten der Firmen Alba und Dussmann. Als er zur Beerdigung des jüdischen Oberkantors Estrongo Nachama mit Basecap erschien, wollen Gemeindemitglieder ein „empörtes Zischen“ vernommen haben.

In der vergangenen Woche schließlich kam heraus, dass sich Strieder auf einem Fest des Magazins Focus mit einem Minicomputer beschenken ließ, weshalb ihm jetzt ein Ermittlungsverfahren droht. Diesmal hatte er sogar glatt gelogen: Erst wollte er das Präsent gar nicht erhalten haben, dann sollte es für einen guten Zweck versteigert worden sein. Zwei Tage brauchte der Senator, um sich zu erinnern: „Das Ding liegt noch in meinem Schrank.“

In allen Fällen beteuerte Strieder wie ein ertappter Schuljunge, er könne ja überhaupt nichts dafür. Das elektronische Gerät? Er hat es „nicht als persönliches Geschenk empfunden“. Mit dem Basecap auf die Beerdigung? Er hatte keine andere Kopfbedeckung zur Hand. Im Firmenjet nach Russland? „Ich habe nur eine Mitfahrgelegenheit nach Moskau wahrgenommen.“ Und die Abfuhr für Fugmann-Heesing? Tja, da habe sich die SPD leider, leider zwischen der „Drecksarbeit“ im Finanzressort und dem glamourösen Bauressort entscheiden müssen.

Innerhalb von nur vier Jahren ist Strieder vom Kreuzberger Bezirksbürgermeister zum mächtigsten Mann der Berliner SPD aufgestiegen. Diese Position hat er vor allem der Schwäche der übrigen Akteure zu verdanken. Von Walter Momper redet niemand mehr, dem Schulsenator Klaus Böger hängt noch immer die verlorene Urwahl nach, und der neue Fraktionsvorsitzende Klaus Wowereit steckt erst in den Startlöchern.

Jetzt ist Strieder da, wo er immer hin wollte: ganz oben. Aus den Niederungen der Bezirkspolitik in den Himmel über Berlin und Moskau, auf Tuchfühlung mit Europas größtem Dienstleister Peter Dussmann – keine Frage, dass dem Mann solche Offerten schmeicheln. Nicht das eingesparte Lufthansa-Ticket reizte Strieder an dem Flug im Firmenjet, sondern die Nähe zur wahren Macht, die Politiker seiner Generation mehr denn je bei den Wirtschaftsgrößen verorten. Endlich dabei sein lautet die Devise.

Strieder geht es da nicht anders als dem Bundeskanzler, der schon als niedersächsischer Ministerpräsident die Entbehrungen seiner bescheidenen familiären Herkunft durch enge Anlehnung an die Bosse zu kompensieren suchte. Das bescherte auch ihm eine Flugaffäre, als er mit VW-Chef Piëch zum Wiener Opernball reiste.

Dem Vorbild Gerhard Schröder eifert Strieder, der seine Parteikarriere 1980 als stellvertretender Landesvorsitzender der Jusos begann, auf vielen Feldern nach. Vor allem aber hat sich Strieder bei seinem Aufstieg so virtuos der Medien bedient wie kein zweiter Landespolitiker – ob er als „Gassi-Polizist“ gegen Hundekot kämpfte oder den Journalisten zu jedem beliebigen Thema ein saftiges Zitat in den Block diktierte. Die Berliner SPD sei zwar „einer der furchtbarsten Landesverbände“, aber sie habe „einen der spannendsten Landesvorsitzenden“, ließ sich das Wirtschaftsmagazin Brandeins noch kürzlich von den Visionen des Senators für Stadtentwicklung betören.

Bei der Lokalpresse indes ist Strieders Stern längst im Sinken begriffen. Allzu oft hat der Senator seine Meinung geändert und plötzliche Kurswechsel vollzogen, als dass seine Rhetorik des Aufbruchs noch begeistern könnte. Der SPD-Chef, der früher auch am Wochenende gern zu allen Fragen Auskunft gab, reagiert auf Anrufe neuerdings dünnhäutig. „Ich sitze mit meiner Familie gerade beim Kaffee“, pflegt er wissbegierige Journalisten anzublaffen. „Was sollten denn meine Söhne dazu sagen?“, fragte er in der Affäre um den Gratiscomputer eine Redakteurin des Tagesspiegel. Ganz so, als müsse er wenigstens in der Familie jene Autorität wahren, die er nach außen längst eingebüßt hat.

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