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Schmetterschläge der Hoffnung

Am Rande der deutschen Badminton-Meisterschaften werden Zukunftskonzepte diskutiert. Noch fehlt eine international erfolgreiche Spitzenkraft ■ Aus Bielefeld Michael Becker

Vier Tage lang das pfeifende Geräusch von Schlägern, die bei wuchtigen Schmetterschlägen durch die Luft sausen, das Quietschen von Gummisohlen auf stumpfen Kunststoffplätzen und das Zischen von 2,5 Gramm leichten Gänsefederbällen in der Luft: Das waren die 48. Deutschen Badminton-Meisterschaften in Bielefeld. Eines stand für die Experten bereits im Vorfeld fest: Der Titel im Herren-Einzel würde wieder einmal an Oliver Pongratz gehen. Mit seinem achten Sieg in Folge wollte der 26-Jährige einen neuen Rekord aufstellen. 1992 hatte Pongratz zum letzten Mal gegen einen Landsmann verloren.

Entsprechend selbstbewusst gab sich Pongratz, in der Bundesliga für den Berliner SC aktiv. „Eigentlich kann ich mich nur selber schlagen“, ließ er die Konkurrenz wissen. Pustekuchen. Es gab doch einen, der Pongratz über war. Björn Joppien, ausgerechnet aus der Langenfelder Trainingsgruppe des Chinesen Xu Yan Wang, in der auch Pongratz übt. Als letzterer seine Regentschaft begann, war Joppien gerade einmal elf Jahre alt. Nun wollte er dessen Zepter. Mit dem Selbstbewusstsein eines Junioren-Europameisters hatte er von Beginn an verkündet: „Ich bin hier, um Deutscher Meister zu werden. Oliver wird sich wärmer anziehen müssen als in den letzten Jahren.“

Am Sonntag ließ der Youngster den Worten Taten folgen. Immer wieder schraubte er seine 192 Zentimeter Körpergröße in die Luft, um dann mit krachenden Überkopfschlägen einen direkten Punkt nach dem anderen zu erzielen. Der Lohn: Ein deutlicher 15:9- und 15:12-Sieg, der beinahe einer Demontage gleichkam. Im Vorjahr hatte Pongratz während des gesamten Turniers gerade einmal 37 Punkte abgeben müssen. „Genau so hatte ich mir das vorgestellt. Dass es nun wirklich geklappt hat, und das bei den Deutschen Meisterschaften, ist natürlich fantastisch“, sprudelte es nach dem Matchball aus Joppien heraus. Und Pongratz? Der gab ganz den fairen Verlierer. „Es ist mir heute nicht gelungen, dem Druck standzuhalten und mein bestes Badminton zu zeigen. Björn hat ein sehr gutes Spiel gemacht und verdient gewonnen“, attestierte der gestürzte Favorit artig.

Was Oliver Pongratz verwehrt blieb, durfte Katja Michalowsky in vollen Zügen genießen: Das schöne Gefühl, es den Jungen noch einmal gezeigt zu haben. Auch die 25-Jährige war als Nummer eins der Setzliste nach Bielefeld gekommen. Und wie Pongratz hatte sie im Endspiel ein Gegenüber, das im letzten Jahr den kontinentalen Titel im Nachwuchsbereich errungen hatte – die 17 Jahre alte Petra Overzier. Nur der Ausgang war ein anderer. Mit ihrer Routine gelang es Michalowsky, den Ansturm der Jugend noch einmal abzuwehren.

Doch es wurde nicht nur gespielt in Bielefeld. Am Rande der Veranstaltung redeten sich Organisatoren, Verbandsfunktionäre und die Verantwortlichen im sportlichen Bereich die Köpfe heiß, wie der Badmintonsport stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt werden könne. Denn eines war auffällig. Für eine sportliche Großveranstaltung von nationaler Bedeutung war das Medieninteresse äußerst gering. Keine einzige Fernsehkamera verirrte sich im Laufe der vier Tage nach Bielefeld. Wie dieser Zustand zu ändern sei, darüber sind sich die Verantwortlichen einig. Zunächst einmal muss eine Spielerpersönlichkeit her, die auch internationale Erfolge erringt, um – mit dem sportlichen Erfolg im Rücken professionell vermarktet – die gesamte Sportart ins Zentrum des öffentlichen Interesses zu rücken. „Björn Joppien könnte jemand sein, der das Potenzial dazu hat. Er ist ein selbstbewusster junger Bursche, der seinen Weg machen kann, wenn er weiterhin hart an sich arbeitet“, sagt Bundestrainer Asger Madsen.

Bislang finden die Turniere in Deutschland zumeist in einer recht biederen Turnhallenatmosphäre statt. Ein angemessenes Rahmenprogramm gibt es kaum. Im Verband träumt man davon, Badminton-Großereignisse perspektivisch mit finanzstarken Sponsoren im Rücken als Medienspektakel zu inszenieren. Vor allem Familien mit Kindern sollen in die Hallen gelockt werden. Die Konzepte scheinen allerdings noch etwas unausgereift, nimmt man die Unterhaltung zweier Herren in dunkelgrauen Anzügen im VIP-Bereich als Maßstab: „Die Möglichkeit für Eltern, ihre Kinder in einem Spielzimmer abzugeben, wie bei Ikea. Und dann möglichst viele regionale und internationale Angebote im Bereich Fressen und Saufen“, war dort zu hören. Na dann, guten Appetit!

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