piwik no script img

Trübe Aussichten für hoffnungslose Aspiranten

Bertelsmann will expandieren – wird aber aus dem Jointventure AOL-Europe gedrängt

Es wird enger für Bertelsmann: America Online (AOL) will das bisher gemeinsam betriebene Jointventure AOL-Europe ganz übernehmen und die Bertelsmänner auszahlen. Nach entsprechenden Berichten der britischen Sonntagszeitung Observer hätte die Fusion von AOL und Time Warner für Deutschlands größten Medienkonzern damit einen äußerst bitteren Nachgeschmack: Bertelsmann-Vorstandsvorsitzender Thomas Middelhoff hatte bisher immer betont, dass beide Seiten an AOL-Europe festhalten und den Online-Dienst gemeinsam weiter ausbauen wollten. Auch ein angeblich geplanter Börsengang von AOL-Europe war in der vergangenen Woche energisch von Bertelsmann dementiert worden.

Nur knapp gescheitert waren dagegen Pläne von Mannesmann, die durch einen Einstieg bei AOL-Europe eine Abwehrmöglichkeit gegen die feindliche Übernahme durch das britische Mobiltelefonunternehmen Vodaphone AirTouch schaffen sollten. Mannesmann hatte sich mit Bertelsmann und AOL bereits auf die Übernahme von 45 Prozent der Anteile an AOL-Europe geeinigt, wurde dann aber von seinem eigenen Aufsichtsrat zurückgepfiffen.

Einerseits dürfte der Erlös aus dem vollständigen Verkauf von AOL-Europe an AOL-Time Warner nach Berichten des Observer bei rund 14 Milliarden Mark liegen und so die Bertelsmann-Kriegskasse für andere Inverstitionen rüsten.

Andererseits würde der Konzern in eine deutliche schlechtere Position als Time Warner geraten: Beide bieten über ihre TV-Stationen, Zeitungs- und Zeitschriftenverlage sowie ihre Buchsparten massenweise mögliche Online-Inhalte für AOL-Kunden. Nach einer vollständigen Übernahme von AOL-Europe wäre aber fraglich, ob AOL auf eine weitere Verbindung mit Bertelsmann setzen – und damit indirekt Time-Warner Konkurrenz machen würde.

Die Beziehungen zwischen Bertelsmann und AOL sind auch wegen der Übernahme des Musikkonzerns EMI durch AOL-Time Warner getrübt: Die Bertelsmann Music Group (BMG) soll die Gütersloher noch in diesem Jahr an die Spitze des globalen Tonträger-Geschäfts katapultieren. Der EMI-Deal verpasste diesen trotzdem von Middelhoff trotzig wiederholten Plänen einen empfindlichen Dämpfer, zumal Bertelsmann-Sondierungsversuche bei den anderen Riesen der Branche wie Sony-Music und der Seagram-Tochter Universal bisher ergebnislos geblieben sind. stg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen