: Die Dienstmädchenkrankheit
Hamburger Studie untersucht Trinkwasserbelastung von Frauen aufgrund von Bleirohren ■ Von Heike Dierbach
Früher war es die Krankheit der Dienstmädchen: eine „bleierne Müdigkeit“, „Knochen wie Blei“ – ausgelöst durch Blei im Trinkwasser. Denn die Hausangestellten tranken morgens als erste das Wasser, das sich über Nacht in den Bleirohren angereichert hatte. Die Zeiten der Dienstmädchen sind vorbei, viele Rohre aber blieben. Deshalb prüft die Hamburger Gesundheitsbehörde derzeit in einer Studie die Bleibelastung durch das Trinkwasser bei jungen Frauen in Eimsbüttel. Erste Zwischenergebnisse liegen jetzt vor: Danach wird bei knapp der Hälfte der Probantinnen der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Wasser-Leitwert von 10 Mikrogramm pro Liter zeitweilig überschritten.
Grund zur Panik bestehe aber nicht, beruhigt die ärztliche Studienleiterin Dorothee Dengler. Denn den kritischen Blutbleiwert von 100 Mikrogramm pro Liter erreicht keine der 248 untersuchten Frauen. Dennoch will die Behörde nun in der zweiten Stufe der Studie untersuchen, ob und wie der Blutbleigehalt der Betroffenen weiter gesenkt werden kann.
Erwachsene lagern Blei, das sie über das Trinkwasser oder über Abgase aufgenommen haben, in den Knochen ein. Dort stört es erst einmal weniger, erläutert Dengler. Bei einem Calciummangel in der Schwangerschaft allerdings mobilisiert der Körper die Ablagerungen – Calcium und Blei gleichermaßen, weil er zwischen beiden nicht unterscheiden kann: Das Blei gelangt in den kindlichen Organismus.
Die Folgen können beispielsweise ein minimal niedrigerer Intelligenzquotient oder eine Beeinträchtigung der Blutbildung sein. „Die Gefahr besteht aber bei den Werten unserer Probantinnen nicht“, versichert Dengler. Dennoch stellt die Behörde für ihre bundesweit einmalige „Interventionsstudie“ einer Gruppe von Betroffenen nun für zehn Wochen bleifreies Wasser zur Verfügung, eine andere Gruppe soll das Wasser morgens immer einige Minuten ablaufen lassen. Eine anschließende Blutuntersuchung soll klären, welche Methode erfolgreich ist.
Repräsentativ für ganz Hamburg sind die Wasserwerte der Studie nicht, da es in Eimsbüttel überdurchschnittlich viele Bleileitungen gibt. Und viele Frauen zwischen 20 und 30 – deshalb wurde das Gebiet auch ausgewählt. Hamburgweit haben zwölf bis 14 Prozent aller Wohnungen noch Bleileitungen. Ihren Ausbau kann nur der Vermieter veranlassen. Die Stadt übernimmt 20 Prozent der Kosten.
Insgesamt ist der durchschnittliche Blutbleigehalt der Bevölkerung in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten gesunken – vor allem dank einer Reduzierung der Abgase im Straßenverkehr: Die aktuellsten Daten eines „Umwelt-Surveys“ von 1992 nennen durchschnittlich 44 Mikrogramm Blei pro Liter Blut. 1986 waren es noch 64 Mikrogramm.
Eine Teilnahme an der laufenden Studie ist nicht mehr möglich. Wer sein Trinkwasser untersuchen lassen möchte, kann sich aber an die Hamburger Wasserwerke (HWW) oder an Labors wenden. Die Untersuchung kostet bei den HWW ab 40 Mark, für Schwangere und Haushalte mit einem Kind unter einem Jahr ist sie kostenlos. Eine Broschüre zum Thema Blei ist in Bücherhallen und bei den Bezirksämtern erhältlich.
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