:
Panade nach Haiderabad ■ Von Björn Blaschke
Wird Ihnen in letzter Zeit auch immer öfter paniertes Essen serviert? Panierter Camembert vorweg? Paniertes Seelachs- und Schellfischfilet? Panierte Hühnerbrust? Paniertes Kotelett? Mit panierten Kartoffeln und Gemüsen? Zum Dessert eine panierte Banane gefällig? Hautsache: Panade, Panade, überall Panade; pervers-abstoßend-nüggelig-abturnend-dödelig-eklige P-A-N-A-D-E?! Aber warum klebt sie überall? Muss das sein? Und wenn ja, warum?
Ich kenne die Antwort: Wir müssen noch heute darunter leiden, dass die Chinesen einst Marco Polo – zusammen mit jenem berühmten Sortiment „feinster Nudelschnellgerichte“ – auch ein paar Brotreste auf den Rücken geschnürt haben. Eigentlich hatte Marco Polo den Teig haben wollen, den die Chinesen immer für ihre leckeren Tempura brauchen, um dem Fleisch den Saft zu erhalten. Aber da den Chinesen bei Marco Polos Abreise gerade die Biotonnen überliefen, gaben sie ihm mit einem freundlichen Lächeln – „schmeckt gut und implägnielt das Freisch“ – das mit, was der Entdecker dann unterwegs Panade taufte. Als Marco Polo in Italien ankam, erkannte er das Übel und ließ die mittlerweile lebendig gewordene Panade frei. Die aber hatte natürlich nichts besseres zu tun, als gleich abzuhauen, denn wer wollte schon in Italien bleiben? Bei den ganzen Italienern!
Zunächst kam die Panade allerdings nur bis Wien. Erst als die Wiener das Wiener Schnitzel erfunden hatten, zog die Panade weiter, um auch den Rest von Europa zu erobern. Und heute hält sie alles, aber auch wirklich alles besetzt, das auch nur ein Minimum Eigengeschmack aufweist.
Es haben sich von Anfang an nur einige wenige Menschen gegen die fürchterliche Ausbreitung der Panade gewandt. Zum Beispiel ich. Ich hatte sie nie haben wollen und musste sie mir schon als Kind von jedem Fischstäbchen kratzen. Als erwachsener Mensch wurde es auch nicht weniger – und ich fürchtete schon, dass ich das Ende des Paniermehls nicht mehr erleben würde. Doch jetzt könnte sich schon viel früher als erwartet alles zum Guten wenden. Im Rahmen der europäischen Haider-Empörung – und in Verkennung der wahren historischen Begebenheiten – werden wohl schon übermorgen die ersten Aufrufe zum Panaden-Boykott ertönen. Ich werde mich selbstverständlich, obwohl ich den wirklichen Weg, den die Panade einst genommen hatte, kenne, an die Spitze der „EU-Nieder-mit-der-Haider-und-Panade“-Bewegung setzen. Spätestens in einer Woche werde ich dann an der deutsch-österreichischen Grenze aufmarschieren, lauthals Costa Cordalis’ Schlager „Pan, Pan!“ rezitieren und ohne Vorwarnung aus allen auffindbaren Knödelrohren und Brotkrumenmörsern feuern. Im Morgengrauen, werde ich schließlich erklären: Seit 5.45 Uhr wird zurückpaniert! Ich werde das Feuer erst einstellen, wenn die letzte Krume verschossen ist. Auf deutschem Boden soll keine Panade mehr aufmarschieren. Dem Brösel-Ösi Jörg mit dem Sprung in der Panadelsuppen-Schüssel werde ich so lange in die Panade fahren, bis er das Hasenpanier ergreift und mit wehenden Mehlsäcken dort um Asyl bittet, wo er ohnehin hingehört: kurz vor China, im pakistanischen Haiderabad. „Und wenn’s der Haider net kapiert, wird er gnadenlos paniert!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen