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„Auf Wiedersehn, Leichtathletik!“

Der britische 400-m-Läufer Mark Richardson enthüllt, dass er im vergangenen Oktober bei einer Dopingprobe positiv war. Das Mittel: Nandrolon ■ Aus London Ronald Reng

London (taz) – Ein neuer Tag, die alte Geschichte: Wieder wurden in der Urinprobe eines prominenten Leichtathleten Spuren des anabolen Steroids Nandrolon gefunden – und wieder hat der Betroffene angeblich keine Ahnung, wie das Dopingmittel in ihn kam. Der Brite Mark Richardson, im vergangenen Jahr der schnellste 400-Meter-Läufer Europas, reihte sich am Montag ein in die mit frustrierender Beständigkeit länger werdende Schlange von Nandrolon-Fällen.

Weltweit 343 positive Nandrolon-Proben wurden allein im vergangenen Jahr registriert, unter anderem wiesen der deutsche 5.000-Meter-Olympiasieger Dieter Baumann, die Weltklasse-Sprinter Merlene Ottey (Jamaika) und Linford Christie sowie 200-Meter-Europameister Dougie Walker (beide Großbritannien) Werte über dem erlaubten Limit auf. Das künstlich hergestellte Hormon fördert den Muskelaufbau.

Die Nachricht vom Dopingfall Richardson kam aus einer überraschenden Quelle: Der Athlet selber brachte die Neuigkeit in einer Presseerklärung ans Licht. „Ich möchte von mir aus an die Öffentlichkeit treten, um nicht von anderen wie eine Ratte vorgeführt zu werden“, sagte Richardson. Im Einklang mit allen bisherigen prominenten Nandrolon-Fällen beteuerte er mit wütender Empörung seine Unschuld. Er habe niemals verbotene Substanzen genommen. Selbst als er sich seine Mandel entfernen ließ, habe er erst den Teamdoktor der britischen Leichtathleten angerufen, ob es in Ordnung sei, sich ein schmerzstillendes Mittel spritzen zu lassen. „Ich bin geradezu besessen vorsichtig.“

Die Schwemme von Nandrolon-Fällen in den zurückliegenden 18 Monaten erscheint merkwürdig. Die Substanz gilt als vergleichsweise leicht nachweisbar, das Risiko, erwischt zu werden, ist für wissentliche Täter demnach hoch. Eine wissenschaftliche Studie von UK Sport, dem in Großbritannien für Dopingproben zuständigen Institut, weist daraufhin hin, dass einige sogenannte Ernährungs-Ergänzungsmittel Nandrolon enthalten. Richardson versuchte denn auch sofort, seinen positiven Dopingfund mit solchen Ergänzungs-Substanzen in Verbindung zu bringen.

Am 27. Oktober 1999 habe er zum Frühstück wie gewohnt ein Glas Wasser gemischt mit Acetyl-Glutamine getrunken sowie einen „Protein-Shake“ mit dem Mittel Promax-159. Dann habe der Dopingfahnder an seiner Tür im Londoner Vorort Slough geklingelt und ihm jenen Test abgenommen, der sich als positiv erwies. Richardson bezieht seine Ergänzungsprodukte von der Firma Maximuscle, deren Manager Zef Eisenberg gestern energisch bestritt, dass jene Stoffe Nandrolon enthalten. Maximuscle verkaufe zwar Mittel mit Dopingsubstanzen, aber diese seien klar als solche ausgewiesen.

Richardson (27) hatte erstmals 1998 seine außergewöhnliche Begabung erkennen lassen, als er beim Grand-Prix-Sportfest in Oslo den Weltrekordler Michael Johnson (USA) dessen erst zweite Niederlage seit 1989 beibrachte und in 44, 37 Sekunden eine Bestzeit nahe am Europarekord lief. Seitdem wurden allerdings auch seine psychischen Probleme deutlich, mit dem Leistungsdruck bei großen Meisterschaften umzugehen. Bei der Europameisterschaft 1998 wurde er als Favorit nur Dritter.

Am Montag deutete er an, dass er daran denke, seine Karriere zu beenden, egal ob er vom Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF) schuldig oder frei gesprochen werde. „Wenn es wie im Fall von Dougie Walker über ein Jahr dauert bis eine Entscheidung fällt, bin ich weg, aus, auf Wiedersehen, Leichtathletik, selbst wenn sie mich dann irgendwann freisprechen sollten.“

Der britische Leichtathletik-Verband, UK Athletics, wird in zehn Tagen einen Urteilsspruch fällen. Nachdem UK Athletics bislang alle Nandrolon-Sünder freisprach, da eine „wissentliche Einnahme nicht nachweisbar“ sei, ist auch bei Richardson mit einem Freispruch zu rechnen. Der Fall würde dann allerdings an das Schiedsgericht der IAAF weitergereicht. Und das hat bis dato stets nach dem Leitmotiv geurteilt: Es sei irrelevant, wie die verbotene Substanz in den Körper gerate; schuldig ist, wer über dem Limit liegt.

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