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Mit Tradition ohne Frauen (an)schaffen

■ Heute ist das 456. Schaffermahl / Frauen dürfen nur im Kaminzimmer nebenan sitzen, in 15 Jahren sind sie dann endlich als Kapitäninnen frühestens auf der erlauchten Gästeliste

Traditionsveranstaltungen sind in der Regel Herrenveranstaltungen. Besonders wenn sie 456 Jahre alt sind, haben Frauen da eigentlich nichts zu suchen. Heute ist wieder so eine old boys society: Das Schaffermahl. An die 300 Kapitäne, Kaufmänner und special guests kommen in die obere Rathaushalle.

Noch werden die Frauen beim Schaffermahl strikt verbannt: Nur 25 bis 30 Frauen werden schön getrennt von den Herren der Meere im Kaminsaal sitzen dürfen, schätzt der zweite Schaffer Jörg Conrad. „Nur später beim Seefahrtsball“ dürfe miteinander getanzt werden.

Tatsächlich wächst aber derzeit die erste Kapitäninnen-Generation heran, die den Männern in einigen Jahren den Platz auf der Traditionsveranstaltung streitig machen könnte. Heute nimmt zum Beispiel Cordula Hermanski ihr Schiffsoffizierspatent entgegen. Kapitänin ist sie damit zwar noch nicht. Nach mindestens zwei Jahren „Fahrt“ wäre sie erste Schiffsoffizierin. Und wenn sie dann ein Schiff anvertraut bekommt, könnte sie als Kapitänin fahren, weiß man im Fachbereich Nautik der Bremer Hochschule, wo derzeit noch vier weitere Studentinnen das Kapitänspatent anstreben.

Für die Teilnahme am Schaffermahl würde das allein noch nicht reichen. Da gibt es „Rituale“, sagt Conrad: „Sie muss erst mal schaffen, also fleißig über die Weltmeere fahren.“ 15 Jahre lang als Kapitänin auf hoher See – so will es das Ritual. „Wir werden ja sehen, wie das in 15 Jahren aussieht,“ meint Conrad. Bis dahin fließe noch viel Wasser die Weser runter.

Zwar sei er nicht der Experte für Kapitäninnen-Fragen, meint Conrad, der zur geladenen Kaufmannschaft gehört. Dennoch glaubt er, dass die Kapitänin eine echte Chance auf die Männerunde hätte. „Widerstand“ würde es bei den Kapitänen nicht geben. Bremens Frauen-Beauftragte Ulrike Hauffe würde dagegen gar nicht gerne 15 Jahre warten: „Es wäre wünschenswert, wenn Frauen schon vorher auf die Gästeliste kommen.“

Schließlich hatten schon vor rund 25 Jahren die SPD-Frauen in Bremen ein „Gegenmahl“ organsiert: Jedes Jahr im Herbst veranstaltet der Arbeitskreis Sozialdemokratischer Frauen (ASF) das Schafferinnenmahl, nicht im Rathaus, sondern in der Bürgerschaft.

Verpasst hätten die Frauen beim diesjährigen Herrentreffen den Staatspräsidenten der Republik Estland, Lennart Meri, als Gastredner. Und ein mehrstündiges Sechs-Gänge-Schlemmen nach altem Brauch: Bremer Hühnersuppe, Stockfisch mit Krebstunke, Braunkohl mit Maronen und Pinkel, Kalbsbraten mit Selleriesalat, Katharinenpflaumen und Rigaer Butt. Gewürzt mit vielen Reden und altem Seemannsgarn.

Das Traditions-Schlemmen im Rathaus ist überigens rein karitativ: Die Seebären und Kaufmänner zahlen nix fürs Essen, spenden dafür aber in ein Salzfass: Um Wohnungen für pensionierte Kapitäne und – hoppsa – auch für deren Ehefrauen zu unterhalten. pipe

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