: Israel sorgt sich um die Schmerzgrenze
Nach der jüngsten Eskalation der Kämpfe mit der Hisbollah-Miliz im Libanon wächst jetzt der israelische Druck auf Syrien
Jerusalem (taz) – Nach drei Tagen im Exil oder in den Bunkern kehrt die Bevölkerung der nördlichen Städte Israels in ihre Wohnungen und in den Alltag zurück. Die Gefahr der Raketen schiitischer Widerstandskämpfer scheint gebannt zu sein. Enttäuscht sind die Gegner einer friedlichen Lösung zwischen Israel und Syrien. Ohne Katjuscha-Raketen erübrigte sich die Drohung von David Levy, „die libanesische Erde in Brand zu stecken“.
Die israelische Schmerzgrenze wurde respektiert und blieb unangetastet. Man kann – ginge es nach Israel – an den Verhandlungstisch zurückkehren. So einfach ist die israelische Losung: Kommen Katjuschas, wird nicht verhandelt, kommen keine Katjuschas, wird weiter geredet. Jenseits der Grenze hält Syrien die Guerillas der schiitischen Hisbollah in der Hand, die, sollten sie sich nicht an die Anweisungen aus Damaskus halten, mit der sofortigen Einstellung der Waffenlieferungen via syrisches Gebiet rechnen müssen.
Dass Syrien kein Interesse daran hat, das Kampfgeschehen in der so genannten südlibanesischen Sicherheitszone komplett einzustellen, bestätigen nicht nur regierungstreue Presseorgane in Damaskus. Der Kampf muss aus syrischer Sicht zugelassen werden, um zum einen die noch mehr oder weniger intakten Beziehungen zum Iran aufrechtzuerhalten, der die Hisbollah unmittelbar finanziert. Erst wenn sich ein konkretes Abkommen mit Israel abzeichnet, muss sich Syrien für eine der Seiten entscheiden. Zum zweiten dient der Krieg und damit die Opfer unter den israelischen Militärs dazu, das israelische Interesse an den Friedensverhandlungen wachzuhalten.
Die Ankündigung von Israels Premierminister Ehud Barak, die Truppen bis zum kommenden Juli aus dem Südlibanon abzuziehen, verändert die bisherige Situation. Die Hisbollah gerät angesichts des konkreten Datums in Zugzwang. Für sie gilt es mit Blick auf die Zukunft der gleichnamigen Parlamentspartei, die verbleibende Zeit zu nutzen, um den Eindruck entstehen zu lassen, dass die israelischen Soldaten vor den Guerillas weglaufen und die Hisbollah der eigentliche Sieger ist. So paradox es klingt: Gerade jetzt, wo der Termin für den Abzug, den die Hisbollah immer wollte, feststeht, muss mit einer Intensivierung der Kämpfe gerechnet werden. Dabei werden die Auseinandersetzungen auf die Sicherheitszone beschränkt bleiben. Jeder Angriff auf Zivilisten in Nordisrael würde die fortgesetzte Besatzung des Südlibanon rechtfertigen und den Rückzug der Truppen nur verzögern.
Die Aussicht auf intensivierte Gewalt lässt in Israel die berechtigte Frage aufkommen, warum mit dem Abzug bis zum Juli gewartet werden soll? Zum ersten Mal strahlte diese Woche der öffentliche Hörfunk „Stimme Israels“ Gespräche mit Soldaten aus, die ihren Dienst im Libanon für überflüssig halten. Die hohen Verluste der letzten Tage haben einen ebenso schwerwiegenden Einfluss auf die Kampfmoral, wie die Tatsache, dass dieser Krieg nicht zu gewinnen ist. Ehud Barak hat trotz der jüngsten Konfrontation und der Funkstille zwischen Jerusalem und Damaskus die Hoffnung auf einen Abzug, der in einen Friedensvertrag eingebettet ist, nicht aufgegeben. Susanne Knaul
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