: Du sollst nicht begehren deines nächsten Ortsamt
■ Bremens Ortsamtsleiter präsentieren ein gemeinsames Papier zur Beirätestruktur / Alles soll – mindestens – beim Alten bleiben, aber im Hintergrund haben die ersten Verteilungskämpfe schon längst begonnen
Bremens Ortsamtsleiter haben sich auf eine gemeinsame Position zur Zukunft der Beiratsstruktur geeinigt, die nur mühsam die tiefen Gräben zwischen den lokalen Interessen verdeckt. Sie stellen die Maximalforderung, alle Beiräte samt Ortsämtern zu erhalten. Statt der von Innensenator Bernt Schulte (CDU) geforderten Einsparungen verlangen sie personelle und materielle Mindestausstattung, die derzeit nicht überall gewährleistet sei.
Nach dem Scheitern der vom Innensenator eingesetzten Arbeitsgruppe zur Beirätereform traten 14 von 17 Ortsamtsleiter gestern mit einer gemeinsamen Erklärung an die Öffentlichkeit. Darin wird zwar eingangs der dringende Reformbedarf bei den Beiräten anerkannt und auf die Haushaltsnotlage Bremens hingewiesen. Einsparmöglichkeiten und strukturelle Reformen schließen die Ortsvorsteher im Folgenden aber systematisch aus.
Jegliche Personaleinsparungen lehnen die Amtsleiter rundweg ab. Sie argumentieren, dass die Beiräte als Träger der „Demokratie vor Ort“ sonst nicht mehr angemessen unterstützt werden könnten. Von der im Personalentwicklungsprogramm für alle Ressorts festgelegten Einsparquote in Höhe von jährlich drei Prozent wollen sie ebenfalls ausgenommen werden. Im Gegenteil verlangen sie bereits eingesparte Stellen zurück, um die bisher am stärksten von Kürzungen betroffenen Ämter wieder arbeitsfähig zu machen. Darüber hinaus wollen sie die Beiräte mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestattet sehen, für deren Umsetzung entsprechende personelle Ressourcen aus den Senatsressorts in die Stadtteile wandern sollten. Zusätzlich befürworten die Amtsleiter den Ausbau der „bewährten“ Bürgerämter und verlangen vom Innensenator Auskunft darüber, wo in Zukunft deren Einrichtung geplant ist.
Die 22 Beiräte mit den dazugehörigen 17 Ortsämtern wollen die Amtsleiter in der jetzigen Form erhalten. Eine Zusammenlegung von mehreren Beiräten unter dem Dach eines gemeinsamen Ortsamtes, wie schon heute im Ortsamt West realisiert, lehnen sie mit dem Argument ab, die Leiter hätten dann nicht mehr die genügende Ortskenntnis.
So weit der dünne Konsens der Amtsleiter – die Realität sieht anders aus: Die Neustrukturierung der Ortsämter scheint tatsächlich auf absehbare Zeit auf Eis gelegt. Nach der Ablehnung seiner Spar-Pläne durch die Reformkommission schreibt Schulte die unbesetzten Ortsamtsleiter-Stellen in West und Horn-Lehe nun wieder aus – nachdem die Amtsinhaber bei drei Vierteln ihrer Bezüge in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wurden. Damit ist eine Festlegung für die nächsten zehn Jahre getroffen.
Zusätzliche Stellen für die momentan krass unterbesetzten Ämter wird es dagegen nicht geben. Ihre Leiter werden neues Personal allenfalls zu Lasten der Kollegen in den anderen Stadtteilen bekommen. So hat Klaus-Peter Fischer, Amtsleiter in der Neustadt, schon eine Zusage vom Innensenator, dass er eine Stelle vom Ortsamt Schwachhausen abbekommt. Gleich am Montag, wenn dies offiziell besiegelt wird, geht die Einigkeit der Ortsamtsleiter also zu Ende. Fischer zeigt schon mal die Richtung an. Nach der Vorstellung des gemeinsamen Beiräte-Papiers lässt er wissen: „Wenn ich die Ausstattung von West hätte, könnte ich problemlos ein drittes Ortsamt übernehmen.“ Auch den Zusammenschluss der drei Ortsämter in Bremen Nord hält er ohne weiteres für möglich. Langfristig erscheinen ihm Bezirke mit Parlamenten als beste Lösung, „aber ich glaube nicht, dass Bremen zu so einem Schritt die Kraft hat“. jank
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