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Agatha Christie und der Orient

Die englische Autorin liebte die Archäologie, einen Archäologen und schrieb Krimismit dem Spürsinn eines Altertumsforschers. Eine Ausstellung im Ruhrlandmuseum Essen

„Ich liebe Leichen“, antwortete Agatha Christie auf die Frage von Max Mallowan, ob sie jemanden wie ihn heiraten wolle, dessen Beruf es sei, „Tote auszugraben“. 1930 ehelichte die Lady of Crime den 14 Jahre jüngeren und später zum Sir geadelten Archäologen – der Beginn einer langjährigen, fruchtbaren Liaison.

Agatha begleitete Max zu dessen Ausgrabungsorten nach Syrien und in den Irak, lebte in Expeditionszelten und Ausgrabungshäusern und legte beim Ausbuddeln mit Hand an. „Die Sorgfalt, mit der Töpfe und Krüge ans Tageslicht geholt werden, erfüllt mich mit dem sehsüchtigen Verlangen, selbst Archäologin zu sein“, schrieb Christie in ihrer Autobiografie.

„Agatha Christie und der Orient – Kriminalistik und Archäologie“ heißt so instruktive wie unterhaltsame kulturgeschichtliche Ausstellung im Essener Ruhrlandmuseum. Eine Expedition in Agatha Christies eher unbekannte Welt als Orient-Passionierte und Hobbyarchäologin. Als sie 1928 erstmals mit dem Orientexpress von London nach Bagdad fährt, ist sie noch solo und „nur“ Touristin; 1931/32 bei den Ausgrabungen im irakischen Ninive ist sie schon geduldete Ehefrau und 1933 im fünf Kilometer nördlichen Tell Arpachiyah schließlich Praktikantin der Ausgrabungscrew. „In der Morgendämmerung bricht Max zum Hügel auf, und meistens gehe ich mit; nur gelegentlich bleibe ich zu Hause, um Tongefäße und andere Objekte zusammenzusetzen oder zu etikettieren oder auch um auf der Schreibmaschine meinen Beruf auszuüben.“

Das tat Agatha äußerst erfolgreich, denn hier konstruierte sie ihren unsterblichen „Mord im Orientexpress“. Auch zwei andere Klassiker „Mord in Mesopotami- en“ und „Tod auf dem Nil“ beruhen auf ihren Arbeitserfahrungen und Reisen vor und nach den Grabungen. Die Krimiautorin als Archäologin und umgekehrt: Denn archäologische Fundfreilegung und detektivische Vorgehensweise gleichen sich. Die Methode ist deduktiv, vom Objekt ausgehend. Christies Protagonist, Inspektor Hercule Poirot, wendet sie konsequent an. An der Schnittstelle von Archäologie und Literatur nimmt die Ausstellung die Besucher mit auf die Orientreise.

Buchvitrinen mit den Erstausgaben der Krimis (2 Milliarden verkaufte Exemplare in 45 Sprachen!) und stilisierte Kofferträger mit erläuternden Textfahnen strukturieren die Stationen der Museumsreise von Grabung zu Grabung. 300 Exponate werden präsentiert, darunter ein Schlafwagenabteil des Orientexpress von 1930 und ein wunderbarer Schuhkoffer von Louis Vutton.

Mythos Orient. „Am Anfang dem Mythos erlegen, wurde sie [Agatha; d. Red.] selber zum Mythos und zur Touristenattraktion“, schreibt die Ausstellungsleiterin Charlotte Trümpler einleitend im Katalog. Vor allem auch wegen Christie besuchten Touristen Nimrud. Die englische Krimilady wird schließlich selbst zum Teil des Orients und hat sich wohl auch so gesehen. Im letzten Ausstellungsraum erklingt die Nimrud-Sinfonie von Edward Elgar. Agatha hatte sie sich in ihrem Testament als Beerdigungsmusik gewünscht.

Günther Ermlich

Ruhrlandmuseum Essen, Goethestraße 41, 45128 Essen Tel.: (02 01) 8 84 52 00 E-Mail: Ruhrlandmusuem@cityweb.de . Internet: http://www.essen.de . Di.–So. 10–18, Fr. 10–24 Uhr (noch bis zum 5. März). Danach geht die Ausstellung auf verdiente Wanderschaft nach Wien, Basel, Berlin und London.

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