Comics, Kinderwelten etc.: Kuscheldecken an die Macht!
Charlie Brown, Linus und Co. müssen Trauer tragen: Charles M. Schulz ist tot
1969 taufte die Apollo-10-Besatzung ihre Rakete „Charlie Brown“ und die Mondlandefähre „Snoopy“. Aber das Ganze war nur ein Testflug, den Mond betrat erst die Besatzung von Apollo 11. Vielleicht wählten deswegen die Astronauten den Loser Charlie Brown und dessen Hund, den Fantasten Snoopy, zu Namenspatronen Spätestens seit dem ersten abendfüllenden Spielfilm von 1965 zählten die von Charles M. Schulz gezeichneten Peanuts zu den bekanntesten Comicfiguren der Welt. Der Erfolg kam aber keineswegs plötzlich. Die erste Geschichte war 1950 in nur sieben Zeitungen erschienen, 1956 druckten immerhin schon über 100 Zeitungen den Strip ab, zuletzt waren es mehr als 2.400 weltweit.
Kindercomics sind so alt wie das Genre. Schulz jedoch verfiel auf einen genialen Kunstgriff. In seinem Strip sind die Erwachsenen nie zu sehen, in den Zeichentrickfilmen nur mit ihrem unverständlichen Gebrabbel zu hören. Stattdessen tritt eine Reihe von eigenwilligen Kindercharakteren auf – der brillante Philanthrop Linus, der sein Leben nur mit einem Fetisch zu meistern imstande ist: seiner Kuscheldecke, seine garstige große Schwester Lucy („Große Schwestern sind die Disteln auf der Lebenswiese“), deren Aggressivität und Karrieregeilheit jeglichem „Kinder an die Macht“ Hohn spricht, sowie Charlie Brown, der noch nie ein Spiel beim Baseball gewonnen hat. Sein Hund Snoopy scheint ihm in allem überlegen: im Umgang mit Frauen, beim Baseball, als Gourmet.
Charles M. Schulz hat eine Kinderwelt geschaffen, mit zuweilen altklugen Geschöpfen, in der Erziehungspersonen nur mit ihren pädagogischen Vehikeln auftauchen: mit Hausaufgaben und Geschenken, mit Belohnungen und Bestrafungen. Doch Linus etwa kann jegliches Vorhaben, ihm seine Schmusedecke dauerhaft zu entziehen, unterlaufen. Die Kleinstadtwelt scheint intakt, es gibt keine Scheidungen, keine Arbeitslosigkeit, keine Rassenkonflikte. Erst in einem späten Zeichentrickfilm gibt es einen Bruch: Ein Kind erkrankt an Krebs und verliert bei einer Chemotherapie seine Haare.
Charles M. Schulz starb am Samstag in Kalifornien. Im Januar hatte er verkündet, dass er wegen seines Darmkrebses nicht mehr weitermachen könne. Martin Zeyn
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen