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Geld für Wohnungs-Strip

■ Sozialamt Mitte spart 420.000 Mark durch Kontrollbesuche. Große Anfrage der GAL

Wer Geld will, bekommt Besuch. Zumindest muss er damit rechnen. Kann er aber nicht, denn der Besuch kommt unangemeldet. Über 500 Mal standen zwischen April 1998 und März 1999 MitarbeiterInnen des Sozialamtes im Bezirk Hamburg-Mitte zu einem Überraschungsbesuch bei Menschen vor der Tür, die einmalige Hilfen nach dem Bundessozialhilfegesetz beantragt hatten. Die also Sozialhilfe beziehen und für Umzug, Waschmaschine oder ähnliches zusätzliches Geld brauchen. Diesen Vorgang macht die GAL-Fraktion der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte nun zum Gegenstand einer Großen Anfrage.

„Die Große Koalition von SPD und CDU bejubelte dieses Vorgehen des Amtes als moderne und gerechte Sozialhilfegewährung“, erinnert GAL-Abgeordneter Karl-Heinz Karch und vermutet: „Der Schutz des Grundrechtes der Unverletzlichkeit der Wohnung scheint SPD und CDU nicht so wichtig zu sein wie das Kürzen von Sozialhilfeleistungen.“

Insgesamt 420.000 Mark hätte das Sozialamt den Antragstellern weggekürzt. Claudia Eggert, Sprecherin des Bezirksamtes Hamburg-Mitte, sagt: „Das sind keine Einsparungen, sondern Minderausgaben“. Der Grund für die unangemeldeten Hausbesuche sei, „dass man den Bedarf feststellen muss“. Dass es zwischen beantragter Hilfe und tatsächlichem Bedarf zuweilen eine Diskrepanz gebe, sei offensichtlich, „sonst gäbe es die Minderausgaben nicht“. Das Vorgehen solle Missbrauch verhindern.

Die GAL will in ihrer Anfrage von Bezirksamtleiter Rolf Miller unter anderem wissen, in welchen Fällen Hausbesuche in Auftrag gegeben wurden und ob es dabei bestimmte Fallkonstellationen gab. Außerdem interessiert die Politiker, ob es wahr ist, dass der Antrag auf Leistung abgelehnt wurde, wenn AntragstellerInnen die MitarbeiterInnen des Sozialamtes nicht in ihre Wohnung gelassen haben.

Schließlich wollen die Grünen wissen, ob es zutrifft, dass die zwei Mitarbeiter, die im Aussendienst arbeiten, aus der regulären Sachbearbeitung abgezogen wurden und wie sich das auf die Arbeitsbelas-tung der Kollegen auswirkt. Die Anfrage wird in die heutige Sitzung der Bezirksversammlung eingebracht. Sandra Wilsdorf

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