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Die permanenten 70er Jahre

■ Das Friseurhandwerk holt olle Kamellen aus der Mottenkiste und verkauft sie unter neuem Namen als die ultimative Jahrtausend-Neuheit – mit Permanent-Styling

Wir hatten es schon geahnt: Nach zehn Jahren 70-er Jahre-Revival würden auch die Friseure sich zurückerinnern und dort landen, wo wir nie wieder hin wollten: bei der Dauerwelle. Natürlich darf man das krause Grauen zum Millennium nicht mehr so nennen. Das klingt einfach zu sehr nach Vorstadt-Prolette, um heute noch die Kids hinterm Ofen hervorzu-locken. Deshalb heißt die Nostalgie-Welle nun „Permanent-Styling“. Der historische Fortschritt seit Willy Brandts Zeiten besteht darin, dass wir jetzt die lateinische Übersetzung des Wortes „Dauer-“ gelernt haben und eine Frisur im Newspeak „Styling“ heißt.

Unter Titel „Im Focus 2000“ präsentierte die Bremer Friseur-Innung gestern ihre Interpretation der von ihrem Zentralverband gewitterten Modetrends. Der hat in seiner programmatischen Beschreibung zwar eingesehen, dass „alles schon mal dagewesen“ ist, aber irgendwie ist im Jahr 2000 trotzdem „alles neu“. Diesen scheinbaren Widerspruch lösen die Frisur-Trendsetter in einer griffigen Maxime auf: „Traditionelle Basics im avantgardistischen Mix“. Die Basics sind also beispielsweise die erwähnte Kunst-Krause oder der aus der Grundschule bekannte „Mikro-Pony“. Die Kombination aus beiden ist dann der Mix, den wirklich nur die Avantgarde sich traut. Besonders wichtig ist mal wieder die Farbe. „Die Industrie unterstützt uns da ungemein“, bedankt sich artig Peter Ströbl, der die Bremer Entwürfe vorstellt.

Auch nicht ganz neu aber sehr Millenium-mäßig ist der Trend zu Glanz und Glitter. Er beginnt bei den Haaren und setzt sich bis ins Make-up fort – manchmal auch aus Versehen, weil es einfach runterrieselt. Kein Zufall sind dagegen Straß-Applikationen auf der Streß-geplagten Haut („Pearly Look“). Überhaupt Haut: Der Trend geht im Jahr 2000 zum „Clean Chic“: Kosmetik, die im Optimalfall aussieht wie ungeschminkt, bloß ohne Pickel. Die deutlichste Schmink-Reminiszenz an die (späten) 70-er ist der „Gloss Look“: Feucht-fettige Lippen sind ebenso „In“ wie glänzende Nasen, in der letzten Saison noch ein absolutes „Don't“ (taz-Leser erinnern sich, dass das q-jour bereits im letzten Sommer den Nasenfett-Trend aufspürte ...)

Die Augenlider können auch weiterhin kräftige Farben tragen, aber mit zart verwischten Konturen. „Wir nennen es Augen wie auf Wolken, das sieht dann nicht so nach Junkie aus“, erklärt Ströbl. Überhaupt hat der Fachbeiratsleiter der Innung gern alles ein wenig adrett: Mit einem Blick auf die jungen Amateur-Models vermerkt er mit Freude den Trend zu transparenten Kleidern; einen freien Busen findet er „auch nicht mehr so schlimm“.

Bei den Männern hingegen konstatiert der Frisör einen fundamentalen Wertewandel, junge Männer seien heute „unwahrscheinlich modebewusst“. Früher, so Ströbl, sei immer gleich schwul gewesen, wer die Haare gefärbt hätte. Heute dagegen dürften alle Männer mit neckischen Strähnchen auf die Straße gehen. Die extravaganten Modefarben sind blond und braun.

Ansonsten darf „die Herrlichkeit“ auch wieder all das, was jahrelang als ungepflegt galt: „Vollerer“ Nacken (bis zum Spoiler?), über den Ohren „aufstehend“ und auch hier eine „kleine Dauerwelle, äh, Permanentstyling“ für mehr Schwung. Hauptsache sie schmieren sich eine gehörige Portion Fett in die Matte. Die Trendfrisur des Jahres dürfte dann ungefähr Helge Schneiders „Katzenklo“-Modell sein – ist das dann schon das 90er-Revival? not

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