: UFOs über dem Ural
Anomalien auf dem Dorfe: Eduard Schreiber dokumentiert „Zone M“ (Forum)
Bei der „Zone M“ handelt es sich um ein anomalisches Gebiet. Davon gibt es etwa 200 auf der Welt, dieses befindet sich im Ural: Der Kompass funktioniert nicht richtig, es gibt merkwürdige Strahlungen und Vegetationsverformungen. In der Nähe dieser Anomaliezone liegt das Dorf Moljobka. Dort lebt Emil Batschurin. Der Geologe aus Perm begreift sich als Stalker. Nachdem vor einigen Jahren ein geheimnisvolles „Objekt“ in der Zone gelandet war, gründete Batschurin ein UFO-Forschungsinstitut, das in Moljobka Symposien veranstaltet.
Eduard Schreibers Film zeigt den Umgang der Dörfler mit der Anomalie – in den anormalen Zeiten nach dem Zerfall der Sowjetunion. Der betrunkene Traktorist der aufgelösten Sowchose, Aljoscha, meint: „Batschurin, der Trottel, hat sich diese Anomaliezone ausgedacht. Und die Leute fahren darauf ab ... Dabei ist das gar keine Anomaliezone, sondern eine Verrücktenzone.“ Zwar besteht Fedja, ein Augenzeuge der Landung des unidentifizierten Objekts in Zone M, auf der nächtlichen Wahrnehmung, aber seine Frau behauptet: „Wenn der besoffen ist, sieht er noch ganz andere Sachen.“
Moljobka liegt auf einer Anhöhe an einem kleinen gewundenen Fluss. Am anderen Ufer beginnt die Zone. Es gibt einen Fährmann, Iwan, er ist fast 70 Jahre alt und raunt: „Ich habe schon viele übergesetzt!“ Dort drüben waren einst die heiligen – schamanistischen – Stätten der Nansen, eines ursibirischen Volkes, das heute noch jenseits des Ural siedelt: behauptet jedenfalls der Regisseur Eduard Schreiber, der es wahrscheinlich von Rawil Chadejew weiß, ein ehemaliger MIG-Pilot und Philosoph, der in Schreibers Dokumentarfilm über den Abzug der Roten Armee aus der DDR „Lange nach der Schlacht“ einer der Helden war. Rawil Chadejew machte dann den Regisseur mit einigen Leuten im Dorf Moljobka bekannt. Vor allem mit dem Geologen Batschurin, der ein 40 Hektar großes Waldgrundstück im Ural kaufte, auf dem sich eine kleine Erdgasquelle befindet, die einige umliegende Orte versorgt. Batschurin finanziert damit seine UFO-Forschungen, die bereits in J. Vallées Kompendium: „UFO Chronicles of the Soviet Union“ erwähnt werden.
Von diesem internationalen Gedankenaustausch über die symposialen Moljobka-Meetings ist es nur noch ein Katzensprung zur Idee des Fremdenverkehrs. Wobei wir im konkreten Falle von einem romantischen Anomalie-Tourismus, eine Art Last-Minute-Stalker, auszugehen hätten, der im Film selbst schon mal einen optimalen Anreiz findet – weil darin Erkenntnis und Interesse aufs Schönste zusammenkommen. Das Ganze entwickelte sich aus dem Zerbröseln der sowjetischen Volkswirtschaft. Schreiber in seinem Film-Exposé: „Am Abend des 31. März 1995 nahmen mehrere Einwohner von Moljobka ein leuchtendes Objekt wahr, das sich aus dem Fluss Sylva erhob und als Kuppel über der zerstörten Kirche (sic!) niederging.“ Helmut Höge„Zone M“. Regie: Eduard Schreiber. Deutschland, 100 Min.; Heute, 19.30 Uhr, Cinestar 8; 17. 2., 14.15 Uhr, Arsenal
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen