: Tabubruch im gutbürgerlichen Familienfernsehen
„Zwei Frauen, ein Mann und ein Baby“ erzählt ein lesbisches Märchen – 20.15 Uhr, RTL
Irgendwann sieht es so aus, als würde die Geschichte ein böses Ende nehmen. Die lesbische Beziehung, die uns über die erste Stunde von „Zwei Frauen, ein Mann und ein Baby“ so ans Herz gewachsen ist, geht in die Brüche, und die verlorenen Seelen scheinen sich mit dem Schicksal arrangieren zu wollen, das die Klischee-Maschine für sie ausspuckt: Iris (Eva Herziger), die nur mit Frauen ins Bett geht, lernt die Vorzüge von Latex und Leder kennen. Sandra (Nicole Ansari), die auf Frauen und Männer steht, zieht hingegen mit dem feschen Antonio (Ralf Bauer) zusammen, den die Ex-Partnerin zuvor als Samenspender fürs gemeinsame Kind ausgewählt hat. Am Ende, wie reizend, lässt sich Sandra sogar von Antonio zum Altar führen. Da weht dann der Duft von „Jacobs Krönung“ durch die Luft. Das Erstaunliche: Der Odeur des Gutbürgerlichen verflüchtigt sich auch dann nicht, als die lesbische Community konspirativ die Veranstaltung in ihre Gewalt bringt. Da gibt es keinen Bräutigam mehr, sondern nur noch zwei Bräute. Der Pfarrer kann sich ob dieser unfreundlichen Übernahme seiner Kirche nur bekreuzigen. Ansonsten aber sind alle glücklich und gerührt, schließlich hat die wahre Liebe gesiegt, und die findet hier eben zwischen Frau und Frau statt.
Bemerkenswert, mit welcher Leichtigkeit Regisseur Wolfgang Mumberger bundesdeutsche TV-Normalität lesbisch besetzt – und das ist eben immer noch „Traumhochzeit“. Die Strategie ist einfach: Der Film springt zwischen Seifenoper und Screwball-Comedy, zwischen Affirmation und Subversion. Die werbetreibende Wirtschaft jedenfalls dürfte an „Zwei Frauen, ein Mann und ein Baby“ ihre Freude haben. Denn weil die erfolgreiche Architektin Sandra und die niedliche Blumenverkäuferin Iris den Beziehungsstress in ihrer lichtgefluteten Albauwohnung ausleben, dürfte sich der Zuschauer kaum in seinen Konsumgelüsten gestört fühlen. Überhaupt scheint die Welt der beiden nur aus schicken Büros und kuscheligen Kneipen zu bestehen.
Andererseits wird in dem pittoresken Ambiente einem Lifestyle gefrönt, der alles andere als Fernsehalltag ist. Und dieser Lifestyle wird nicht etwa tumb begafft. Klar, die ewig fummelnden Lesben auf dem Klo des Frauencáfes sind reine Abziehbilder – aber auch der verstockte Hetero, von dem sich Sandra im Büro ständig dumme Sprüche anhören muss, ist keineswegs als vielschichtiger Charakter angelegt. Schließlich ist „Zwei Frauen, ein Mann und ein Baby“ auch keine Psychostudie, sondern eine romantische Komödie, in der die Heldinnen durch Katastrophen und Camouflagen zu sich selber finden. Dabei wird, wie nebenbei, das eine oder andere Sexualklischee zum Wanken gebracht.
Natürlich hat der Film wenig mit der Realität zu tun: Über ein paar haarsträubende Verstrickungen sind die Damen an den spanischen Architekten Antonio geraten. Immer wenn er im Bild erscheint, ertönt eine Flamenco-Gitarre. Immer guckt er glutäugig, hält dafür aber meist das Maul – eine tolle Rolle für den Surf-Deppen Ralf Bauer. Selbst als Antonio kurz vor dem Jawort in der Kirche die Braut ausgespannt wird, beklagt er sich nicht. Als kleines Dankeschön erhält er lebenslanges Besuchsrecht für das Kind, das aus der Dreierbeziehung hervorgeht. So einfach ist das. Christian Buß
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen