: „Die CSU-Landesgruppe kann sich die Trophäe Schäuble nicht anrechnen“
Michael Glos bestreitet eine Mittäterschaft der CSU bei Schäubles Sturz. Seine Partei bereitet jetzt die Kanzlerkandidatur Stoibers vor
Michael Glos, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, gab sich sorgenvoll: „Wenn die CDU in den Strudel gerät, können wir nicht Hände reibend zuschauen“, sagte er vor Journalisten in Berlin. Zur Rettung der Schwersterpartei flog gestern auch der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber an die Spree. „In Ruhe“ wollten sich die CSU-Parlamentarier und ihr Parteichef „mit der Lage der Schwesterpartei befassen“.
Natürlich wird sich Stoiber auch mit dem amtsmüden CDU-Chef und Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble über mögliche Nachfolger für beide Posten unterhalten. Je schwächer die Position von Schäuble in den vergangenen Tagen geworden war, umso gewichtiger wurde der Einfluss des Bayern auf die Geschehnisse in Berlin. Insider vermuten, dass Stoiber aus der Ferne durchaus Einfluss darauf hatte, dass die Bundestagsfraktion plötzlich auf Neuwahlen ihrer gesamten Spitze drängte. Gemeinsam machten sich er und Glos jedoch gestern dafür stark, dass die Neuwahlen nicht wie vorgesehen kommenden Dienstag stattfinden. Sie wollen einen Termin nach der Schleswig-Holstein-Wahl in eineinhalb Wochen. Auf jeden Fall wollen Glos und Stoiber in diesen Tagen erstmal ausloten, wer Schäubles Nachfolger als CDU-Parteivorsitzender werden könnte. Fest steht, dass sie auf keinen Fall die in ihren Augen viel zu freche Angela Merkel als Vorsitzende der Schwesterpartei sehen wollen.
Am liebsten sähe die CSU wohl Volker Rühe, den glücklosen Wahlkämpfer aus Schleswig-Holstein, an der Spitze der CDU. Er würde Stoiber wohl nicht im Wege stehen, wenn der eines Tages doch noch Ansprüche auf die Kanzlerkandidatur anmelden möchte. Ob und wann Stoiber seine Ambitionen auf den Job ankündigt, steht in den Sternen. Auf jeden Fall will er sich die Option so lange wie möglich offen halten. Rühe wäre aus CSU-Sicht auch ein guter Mann für den Fraktionsvorsitz. Dies ist einer der Gründe dafür, warum Michael Glos so vehement dafür eintritt, dass die Entscheidung über den Fraktionsvorstand erst nach der Wahl in Schleswig-Holstein fallen soll. Wahlkämpfer Rühe kann schließlich erst dann für den Fraktionsvorsitz kandidieren, wenn klar ist, dass er nicht Ministerpräsident inKiel wird.
Eloquent versuchte Glos gestern den Verdacht zu zerstreuen, er habe mit an Schäubles Stuhl gesägt: „Die CSU-Landesgruppe kann sich die Trophäe Schäuble nicht zurechnen.“ Er sei „von anderer Seite erlegt worden“. Etwas scheinheilig betonte Glos, er wolle jetzt nicht zu einem „Schwanengesang anheben“. Aber Schäuble sei ein „ungeheuer erfolgreicher Partei- und Fraktionsvorsitzender“ gewesen. Er sei einer „Intrige“ zum Opfer gefallen.
Monatelang hatte sich Edmund Stoiber mit Kommentaren zur CDU-Finanzaffäre zurückgehalten. Jetzt, nachdem Schäuble seinen Rücktritt vom Fraktions- und Parteivorsitz angekündigt hat, will er jedoch ein gewichtiges Wort mitreden. Pech für seinen Parteifreund Horst Seehofer. Der Oberbayer wäre gerne Fraktionsvorsitzender in Berlin geworden. Doch daraus wird wohl nichts: Ein CSU-Mann an der Fraktionsspitze und ein Bayer als Kanzlerkandidat, das wäre dann doch zu viel des Guten. Weil sich Stoiber den Zugriff auf die Kanzlerkandidatur nicht verbauen will, muß Seehofer zurückstecken.
Noch vor wenigen Wochen sah es so aus, als könne sich Stoiber seine Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur abschminken. Wegen seiner Mitverantwortung für die Millionenpleite der halb staatlichen Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft (LWS) schien er gründlich diskreditiert. Doch im Lichte des CDU-Spendenskandals verblassen Stoibers Machenschaften. Der CSU-Chef muss inzwischen nur noch vor einem Angst haben. Der mit Haftbefehl gesuchte bayerische Waffenhändler und Duzfreund vieler CSU-Promis, Karlheinz Schreiber, hatte angedroht: „Der wirkliche Schaden für die Bundesrepublik Deutschland steht noch bevor.“ Er kenne „viele Fakten zum Schaden der gesamten politischen Klasse und vor allem Bayerns“. Tina Stadlmayer
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