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Das italienische Anti-Haider-Bündnis zerbröckelt

Roms Rechtsparteien versuchen, Europas Politik gegen die FPÖ für sich zu nutzen

Rom (taz) – Einträchtig wehten die Fahnen der Linksdemokraten, der Rifondazione Comunista, der Grünen und der drei Gewerkschaftsbünde neben den Bannern der Berlusconi-Partei Forza Italia, als am vergangenen Freitag 5.000 Demonstranten vor der Österreichischen Botschaft in Rom ihrem Unmut über den FPÖ-Chef Jörg Haider Luft machten.

Offiziell hat Haider in Rom keine Freunde; so wie die Regierung D’Alema die Boykottbeschlüsse der EU-Staaten mitträgt, so teilt Silvio Berlusconi das Vorgehen der Europäischen Volkspartei gegen Kanzler Wolfgang Schüssels ÖVP – und so lässt Gianfranco Fini, Chef der Ex-Faschisten von der Alleanza Nazionale, wissen, mit der FPÖ habe seine Partei nun wirklich „nichts gemein“. Selbst Umberto Bossi, Frontmann der separatistischen Lega Nord, der noch im letzten Oktober Haider als Stargast auf einer Kundgebung in Vicenza begrüßt hatte, wollte sich an seine Kontakte mit der FPÖ plötzlich nicht mehr so genau erinnern; schließlich habe er Haider „nur einmal“ getroffen.

So viel Distanz macht stutzig – kommt sie doch von Kräften, die noch vor ein paar Jahren selbst als politische Schmuddelkinder galten, als sie in Europa mit dem ersten rechtspopulistischen Sündenfall von sich reden machten: mit der 1994 gebildeten Regierung Berlusconi. Auch in der Sache haben Berlusconi, Bossi und Fini an Haider wohl wenig auszusetzen, wimmelt es doch auch in ihren Parolen von ehrlich arbeitenden kleinen Leuten, die endlich von der Knute der Konkordanzdemokratie befreit gehören, von Altparteien, die die Bürger auspressen, von Ausländern, die Verbrechen säen.

Ein Drahtseilakt, bei dem nicht alle mitspielen. Der gerade wieder von Berlusconi als Partner der Allianz gewonnene Bossi geht auf Abstand zu den Österreichern, gibt aber zugleich eine Erklärung für die harsche Reaktion der europäischen Regierungen, die durchaus Haider-tauglich wäre: Hinter den Beschlüssen stecke einerseits die Furcht der Juden, die sogar Angst vor kaltem Wasser hätten, und andererseits die Linke, die weitere Ausländer ins Land locken wolle.

„In Italien haben wir einen Mitte-rechts-Block, der von Positionen durchdrungen ist, die uns von Europa entfernen würden“, konstatierte Ministerpräsident Massimo D’Alema. Eine späte Entdeckung, denn zur Gewöhnung an diese Rechte hatte nicht zuletzt D’Alema beigetragen, der jahrelang Berlusconi als Partner im Dialog über eine Verfassungsreform hofierte, der noch vor wenigen Monaten Wahlabsprachen mit der Lega Nord nicht ausschloss, während Bossis Partei Unterschriften für ihr Anti-Immigranten-Referendum sammelte, während sie in Mailand zu Kundgebungen gegen ausländische Verbrecher aufrief, während der Lega-Bürgermeister von Treviso Parkbänke abschrauben ließ, damit sie nicht mehr von Arabern und Schwarzen zum „Herumlungern“ missbraucht werden.

Spätestens mit Massimo D’Alemas Angriff auf die Rechte aber ist es vorbei mit der Illusion einer italienischen Einheitsfront gegen Haider. Stattdessen hat Italiens Rechtslager nach ein paar Tagen Anti-Haider-Rhetorik den neuen alten Gegner: die eigene Mitte-links-Regierung, die die österreichischen Ereignisse „innenpolitisch instrumentalisiert“, obwohl die wahren Haiders, die echten Feinde der Demokratie doch in Rom am Kabinettstisch sitzen. So jedenfalls sieht es Silvio Berlusconi. Der erklärte sein Einverständnis mit einer Suspendierung der ÖVP durch die Europäische Volkspartei – wenn die linken Christdemokraten des Partito Popolare Italiano, die in Rom mitregieren, gleich auch suspendiert werden. Michael Braun

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