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Der Jubelkongress fällt aus

Beim Parteitag der Sozialisten Serbiens inszeniert sich Milosevic als mächtiger Staatsmann. Die Opposition befürchtet einen Generalangriff des Regimes ■ Aus Belgrad Andrej Ivanji

Der vierte Parteitag der „Sozialistischen Partei Serbiens“ (SPS) war als eine Machtdemonstration gedacht. Der ganzen Welt sollte gestern demonstriert werden, wer der Herr in Serbien ist, wer das serbische Volk seit einem Jahrzehnt von einem Sieg in den anderen führt und wer die Absicht hat, mindestens noch ein Jahrzehnt an der Spitze Serbiens zu bleiben.

Einige tausend SPS-Anhänger wurden in Bussen vor das Kongresszentrum „Sava“ in Belgrad gebracht, um eine einzige Aufgabe zu erfüllen: Vor den Kameras des staatlichen Fernsehens beim Erscheinen des Gründers der SPS und jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević zu jubeln.

Und der ging mit festem Schritt und stolzem Lächeln durch die mit Transparenten „Slobo, halte durch“ und „Es lebe Slobodan, unser Held“ geschmückte Menschenmasse. Die Einigkeit des Volkes und ihres Präsidenten sollten die Bilder demonstrieren. Das staatliche Fernsehen zeigte allerdings nicht, wie die vom Regen nassen, frierenden, traurig ausschauenden Menschen wenige Minuten nach Milošević’ Defilee in ihre Busse einstiegen und zurück in die Provinz fuhren.

Mit den Worten „Zehn Jahre lang hat die SPS an der Spitze des serbischen Volkes seine Freiheit und Unabhängigkeit erfolgreich verteidigt“, eröffnete Milošević den Jubliäumskongress. Danach begrüßte er eine halbe Stunde etwa drei Dutzend anwesende Vertreter von kommunistischen und Arbeiterparteien aus aller Herren Länder. „Die gesamte freiheitsliebende Welt unterstützt uns“, sagte Milošević. Er wollte sich als hoch geschätzter, mächtiger Staatsmann präsentieren, der viele Freunde in der Welt hat, dem die internationale Isolierung seines Regimes, die Anklage des Haager Kriegsverbrechertribunals und das Embargo nichts anhaben können.

Im Bericht über die Arbeit der SPS seit dem letzten Parteitag 1996 wurde die „historische Verantwortung der SPS für das Schicksal des Staates“ hervorgehoben. Die SPS habe nicht zugelassen, dass Jugoslawien „eine Kolonie der neuen Weltordnung“ werde, sei deshalb von der Nato bombardiert worden, habe aber die Freiheit des Volkes und die territoriale Integrität des Landes erfolgreich verteidigt. Und Slobodan Milošević sei „ein Symbol für Tapferkeit, Bewahrung der Freiheit, Unabhängigkeit, Stabilität und Gleichberechtigung“.

Die SPS-Generalsekretärin, Gorica Gajević, rief die internationalen Truppen auf, sich aus dem Kosovo zurückzuziehen, weil sie keinen Frieden gebracht häten. Einstimmig waren sich SPS-Funktionäre in der Beurteilung, dass die Führer der bürgerlichen Opposition in Serbien „Handlanger der Nato“, „Verräter des serbischen Volkes“ seien, und sich alle „patriotischen und demokratischen Kräfte“ um die SPS sammelten.

Allen unabhängigen serbischen Medien war die Akkreditierung für den Parteitag verweigert worden. Erst vor wenigen Tagen hatte der Vizepremier Serbiens, Vojislav Šešelj, eine Hexenjagd gegen unabhängige Medien angekündigt, die er beschuldigte, im Auftrag der USA zu „Mord und Terror“ in Serbien anzustiften.

Wenn auch die Machtdemonstration der SPS und ihres Gründers Milošević nicht so sehr überzeugte, überzeugte um so mehr ihre Entschlossenheit an der Macht zu bleiben. Dafür waren die eigenen Reihen fest geschlossen und von allen „unzuverlässigen Elementen“ gesäubert. Die serbische Opposition befürchtet, dass sich der SPS-Parteitag als Auftakt zu einer Abrechnung des Regimes mit allen Gegnern entpuppen könnte.

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