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Prostitution in Deutschland

Laut der frauenpolitischen Sprecherin der Bündnisgrünen, Irmingard Schewe-Gerigk, suchen jeden Tag mehr als eine Million bundesdeutscher Männer Prostituierte auf. Sie kaufen pro Jahr zweihundertfünfzig Millionen sexuelle Dienstleistungen aller Art. Etwa vierhunderttausend Frauen verdienen über diese Tätigkeit ihr Geld. Der Gesamtumsatz des Sexgewerbes beträgt deutlich mehr als zehn Milliarden Mark im Jahr.

In der Bundesrepublik ist Prostitution nicht verboten. Die rechtliche Diskriminierung stützt sich vor allem auf das Verdikt der „Sittenwidrigkeit“: Nach herrschender Rechtsprechung ist die Vereinbarung sexueller Dienste gegen Bezahlung sittenwidrig und damit nichtig.

Die Folgen: Prostituierte können kein Honorar einklagen, sie können sich nicht gesetzlich krankenversichern, haben keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, auf Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Dagegen ist der Geldverkehr mit den Freiern geschützt: Prostituierte machen sich des Betrugs strafbar, wenn sie vereinbarte Leistungen verweigern. Freier können ihr Geld zurückfordern. Prostituierte müssen Steuern zahlen.

Laut Felicitas Weigmann werden die Prostituierten bei Razzien vom Finanzamt geschätzt und mit einer oft viel zu hohen Einkommensteuer belegt.

Im Januar 1998 debattiert erstmals öffentlich der Frauenausschuss des Bundestags über die Prostitution. Schon seit Jahren fordern Bündnisgrüne arbeits- und sozialrechtlichen Schutz, die Beseitigung der „Sittenwidrigkeit“ und die Streichung strafrechtlicher Vorschriften, die Prostituierte kriminalisieren.

Im August des vergangenen Jahres stößt Bundesfrauenministerin Christine Bergmann mit einer Initiative zur Beseitigung der Diskriminierung von Prostituierten vor.

Aus dem Büro der frauenpolitischen Sprecherin der Grünen, Frau Schewe-Gerigk heißt es, die Diskussionen und Verhandlungen einer Arbeitsgruppe sollen voraussichtlich zur Sommerpause in einem gemeinsamen Gesetzentwurf münden zur Entkriminalisierung und gegen die Diskriminierung der Prostitution.

Nachdem die sofortige Schließung des bordellartigen Betriebs von Felicitas Weigmann durch das Bezirksamt vom Verwaltungsgericht aufgehalten wurde, wird der Fall nun untersucht. Auf Anfrage des Verwaltungsgerichts antwortete die Berliner Polizei, es liege keine Anzeige und somit kein Ermittlungsverfahren gegen Felicitas Weigmann und ihren Laden vor. Vielmehr begrüße die Polizei tatsächlich die Existenz solcher „sauberen“ Betriebe, da sie erfahrungsgemäß dem Abrutschen in die Kriminalität entgegenwirken.

Das Landeskriminalamt schätzt, in Berlin gebe es etwa zweihundert solcher bordellartigen Betriebe. Allein im Bezirk Wilmersdorf sind es fünfzehn.

Katharina Born

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