: Zwei Pilsetten am Tresen
Gelungen: „Zurück auf Los“ (Panorama), eine Komödie über das Leben mit HIV
Hier hat sich jemand einen Traum erfüllt. Pierre Sanoussi-Bliss, bekannt als Mitarbeiter von Kommisar Kress („Der Alte“), hat Buch und Regie geführt für „Zurück auf Los“. Und er hat sich selbst die Hauptrolle des Sam gegeben. Solch Machtvielfalt geht gern in die Hose. Hier nicht!
Sam ist Ossi, Sam ist schwarz, Sam ist positiv. Und Sam ist ein großartiger Chansonsänger, der ohne Plattenvertrag seine erste Platte aufnimmt. Sanoussi-Bliss ist viele Risken mit seinem Projekt eingegangen, das spürt man. Finanziert wurde es schließlich – und da merkt man wieder einmal, wie wichtig diese Reihe ist. Allein der Gesang, ein irre kitschiges, tuntiges Gemisch aus Hilde Knef und Marianne Rosenberg, wäre in anderen Filmen Garantie für Desaster. Oder die prolligen Ossi-Berliner, die sich „noch zwei Pilsetten“ bestellen, oder die Frage „Warn det Nudeln?“ zu einer Ladung, öhm, Kotze, die Sam eines Nachts im Gesicht hat beim Schlafen. Oder die Hundescheiße am Schuh. Oder die zwei Heteroschnepfen, die Sam und seinen Freund Rainer beim Schneckenessen beobachten, süß finden und ihnen Sekt bringen lassen. Die sind so klasse doof, wie Schwule sich Heterofrauen eben vorstellen. Als Gegengift hilft da nur ein heftiger Zungenkuss, von Mann zu Mann.
Der Zuschauer wundert sich über all die Leichtigkeit, über die Sympathie, die wir für die Figuren dieser grotesken, musicalesken Schwulenreigen-Komödie entwickeln. Es geht ja immerhin um das Leben mit HIV. Seit wann haben wir denn Humor?
Bliss gelingt sogar ein selbstironischer Verweis auf seine Rolle als „Neger“ im „Alten“. Als er depressiv im Bett liegt (er ist nämlich positiv), grinsen Roberto Blanco, C. Jobatey und der Vorgänger von Bliss beim „Alten“ aus der Glotze. Pikanterie: Bliss wurde der Nachfolgeschwarze der Serie, weil sein Vorgänger, ebenfalls Afrogermane, zu viel Geld forderte.
Am Ende löst sich die Schwulen-WG auf, weil einer wieder mal mehr seinem Schwanz als seinem Kopf traut. Man fährt nach Dänemark ans Meer, schwärmt von liberalen Schwulengesetzen und Sandstrand. Und vom Heiraten. Superkitschig, rührend und nachdenklich. Nach diesem Film traut man Sanoussi-Bliss, als Schauspieler sowieso, richtig großes Kino zu. Andreas Becker. „Zurück auf Los“. Regie: Pierre Sanoussi-Bliss. Mit: P. Sanoussi-Bliss, Matthias Freihof, Dieter Bach. D 1999, 92 Min. Heute, 19. 2., 20.15 Uhr, CineStar 3
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