: Insel der bildenden Kunst
■ Im World-Trade-Center findet die alljährliche Jahresausstellung der Freien Kunstschule Bremen statt / Doch auch dieser Bereich ist von Kürzungen bedroht
Der junge Geiger spielt in der Musikschule, der Tänzer besucht die Tanzschule und der Fußballer besucht den Sportverein: Scheinbar unzählige Möglichkeiten werden Bremens Kindern und Jugendlichen geboten, ihre Talente auch außerschulisch zu entfalten. Doch was passiert mit dem jungen Talent der bildenden Kunst? Bis vor sieben Jahren sah es in Bremen für malende Kinder schlecht aus, in ihrer Begabung fachmännisch aber bezahlbar gefördert zu werden. Dann jedoch wurde die Freie Kunstschule Bremen gegründet. 20.000 Mark jährlich aus Lotteriemitteln stellte der Senator für Kultur damals zur Verfügung, einen Raum sowie zwei halbe Stellen trug der Senator für Bildung bei. Gegen vergleichsweise geringe Gebühren können seither Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene ihre gestalterischen Fähigkeiten weiterbilden. Die Auf-splitterung der Lehrräume in ganz Bremen ermöglichen auch abgelegen wohnenden Künstlern den Schulbesuch. Ein Kurs (einmal in der Woche, 45-90 Minuten) kostet zwischen 150 und 300 Mark pro Halbjahr. Die Pädagogen werden, je nach ihren Fähigkeiten, einem der sechs Fachbereiche, wie z.B. Malerei, plastisches Gestalten, Design oder Fotografie, zugeordnet. Mit dieser Aufteilung richtet sich die Ausbildung auf die individuellen Belange der etwa 300 Teilnehmer pro Jahr aus: Nicht eine Konkurrenz, sondern ein notwendiges zusätzliches Angebot zum schulischen Kunstunterricht soll sie darstellen, betont der Leiter der Einrichtung, Edzard Hoenen.
Ob auch der Senat diese Notwendigkeit noch als gegeben ansieht, muss angesichts der aktuellen Finanzlage allerdings abgewartet werden. So vergleichsweise gering der Zuschuss des Senats ohnehin ist; ohne ihn, sagt Hoenen, wäre die Schließung der Schule gewiss.
Die Diskussionen um die Ein-sparungen im Bremer Kulturbereich überschatten daher die diesjährige Jahresausstellung im Foyer des World-Trade-Centers. Das überzeugende Unterrichtskonzept und die Fortschritte der Kinder werden, in der Hoffnung auf Beachtung in der Öffentlichkeit, besonders hervorgehoben. Aneignungsversuche der Malstile großer Meister wie Henri Rousseau und René Magritte, Abbildungen großer Werke wie Picassos „Mädchen mit der Taube“, Collagen, Modezeichnungen, Comics und Fotografien: Kaum eine Sparte der Kunstgeschichte ist hier nicht vertreten.
Doch die Ausstellung soll nicht allein eine Demonstration der guten Arbeit in der Schule sein. Als Besuchsanreiz hebt Hoenen vor allem die verdeutlichten Unterschiede der einzelnen Teilnehmergruppen hervor. So stellen die Comic-Zeichnungen weiblicher Künstler im Gegensatz zu denen ihrer männlichen Kollegen meist Antihelden dar, wie einen körperlich behinderten Batman oder Braveheart, der sich vor einer Spinne ängstigt. Und naturalistische Werke älterer Teilnehmer unterscheiden sich nicht allein in der technischen Qualität erheblich von denen jüngerer. Während Erwachsene die Umwelt fotografisch genau abzubilden anstreben, gehen Kinder mit der natura-listischen Malweise interpretierend um: Bedeutende Menschen werden da schon mal größer abgebildet als unbedeutende, obwohl die körperlichen Maße der realen Personen eigentlich gleich sind.
Auch das Bildnis eines Stuhls ist, obgleich von einem älteren Jugendlichen gemalt, nicht streng naturalistisch; eine etwas unwirkliche Form und plastische Farben verleihen dem Möbelstück einen eigenen Ausdruck. Der Künstler des Werks ist seit einer Gehirnhautentzündung, die ihn im Alter von vier Jahren befiel, taubstumm. Mit Hilfe eines Implantates kann er jedoch wieder Sprache verstehen, so dass er in der Lage ist, die Ratschläge seiner Lehrer sofort aufzunehmen und umzusetzen. Die Freie Kunstschule bringt ihm so wieder das freie Sprechen bei – in der Sprache der Malerei. Wie lange sie dafür noch die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt bekommt, ist jedoch ungewiss.
Johannes Bruggaier
Die Jahresausstellung der Freien Kunstschule Bremen kann noch bis zum 24. Februar montags bis donnerstags von 8 bis 18 Uhr und freitags von 8 bis 17 Uhr besucht werden. Infos unter Tel.: 347 87 66
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