: Kurly-wurly in der Autowerkstatt
■ Das Bremer Theater inszenierte „Suzuki I+II“ des in Berlin lebenden russischen Kult-Autors Alexej Schipenko
Alexej Schipenko ist hip. Egal, was der seit 1992 in Berlin lebende russische Dramatiker zurzeit aufs Papier rotzt, es findet sich immer ein renommiertes Theater oder ein bekannter Verlag, der es schnell und mit Erfolg unter die Leute bringt. Allein 1998 hat der 39-Jährige Akkordarbeiter vier Stücke in sechs Monaten geschrieben und dazu noch einen Roman veröffentlicht. Dass bei dieser Arbeitsweise Dramen wie „Zyrikon“ entstehen, welches die Kritik kürzlich als „Textwurst“ und „Total-Flopp“ verspottete, da es nicht mehr als einen „losen Stapel Blätter, undramatisch und ohne jedes Gewicht“ erblicken konnte, liegt da nahe. Erschüttert ist Schipenko aber darüber nicht. „Der Sinn meiner Stücke liegt darin, dass Sie ihn nicht verstehen“, antwortet er solchen Kritikern kokett, fügt noch hinzu, er wisse eh nicht, was ein Stück ist, was ein Dramatiker ist und was überhaupt ein Theater ist, um dann im Zweimonatstakt Dramen für das Theater auszuspucken.
Ein für Schipenko'sche Verhältnisse geradezu früher Auswurf ist „Suzuki I + II“, das in der Inszenierung von Isabel Osthues nun im Concordia Premiere feierte. Entstanden ist es in zwei Etappen und 1997 in der Inszenierung des jetzigen Schaubühnenleiters Thomas Ostermeier zum Kultstück in Berlin avanciert. „Suzuki I“ erzählt die Geschichte des erfolglosen Schriftstellers Klaus Klaus. Der landet auf der Suche nach einem Gebrauchtwagen in einer türkischen Autowerkstatt im Berliner Bezirk Wedding. Dort trifft er auf vier eigenartige türkische Mechaniker, die sich in artistischen Choreografien um einen roten Porsche schmiegen, und einen deutschen Fahrradfahrer, den Klaus Klaus später ohne erkennbaren Grund mit einem Messer absticht. „Suzuki II“ spinnt die bizarre Werkstattgeschichte weiter. Vor der Kulisse des sterbenden Radfahrers entspinnt sich ein zunehmend absurder Thriller. Zwei russische Drogendealer mit Jelzin-Masken vor dem Gesicht tauchen in der Werkstatt auf, um ihren „Stoffstoff“ aus dem Porsche zu holen. Ein türkischer Clanchef versucht Peitsche schwingend Ordnung zu schaffen, was ihm jede Menge Schläge und schließlich ein verdammt heißes Bügeleisen auf der nackten Brust einbringt. Derweil knutscht Klaus Klaus mit dem Ordnungshüter Senf herum und staucht immer wieder mal den Radfahrer zusammen, weil der partout nicht leise sterben will. Am Ende zieren ein paar Leichen die Bühne. Wer nicht tot ist, ist voller Kokain. Und Klaus Klaus entschwindet mit seiner Liebsten Steffi und Fisherman's-Friends-gestärktem Atem ins Berlin der späten 90er Jahre.
Kurzum: Das Stück ist zunächst und vor allem ein ebenso großer wie kurzweiliger Blödsinn. Die Hälfte der Zeit versteht man kein Wort, weil sich die türkische Community eines lustigen „kurly-wurly“-Sprachgebräus bedient, der Türkisch klingt, aber wohl nicht einmal das ist. Die andere Hälfte des Stücks tanzen die Schauspieler entweder in und um den roten Porsche herum oder sprinten die Bühne hinauf, die im hinteren Teil von einer steilen Rampe begrenzt wird, auf der sich ein wundersamer türkischer Kaffeeautomat und ein ständig klingelndes Telefon befinden. Ohne großen Anlass – eben einfach so – passiert mal dies, mal das; alles bleibt Zufall, gerade trinkt man noch Kaffee, einen Moment später schon rennt Mehmet (Serdar Somuncu) hinter Klaus Klaus (Christoph Finger) her, um ihn zu ermorden. Und bloß Sekunden später liegt man sich wieder im Arm, als sei nichts gewesen.
So beiläufig die Situation eskaliert, so beiläufig wird auch gemordet. Der Radfahrer (Mateng Pollkläsener), der Polizist (Robert Tilian) und der Peitsche schwingende Aga (Ünal Gümüs) sterben, einfach weil sie gerade da waren, wo sie wohl besser nicht hätten stehen sollen. Schipenko erzählt das ohne Mitleid, bar jeder moralischen Regung und in einer amüsiert-distanzierten Atmosphäre, wie sie bereits aus Quentin Tarantinos Kinofilmen vertraut ist. Die multikulturelle Gesellschaft, scheint er zu sagen, ist ein Witz: Alle brabbeln, keiner versteht, was aber nichts macht, da das Leben schon lange keines mehr ist, das noch irgendeinem erkennbaren Sinn unterliegt. Fatalismus total, doch frei von der erdrückenden Schwere Büchner'scher Larmoyanz, sondern getragen von einer grenzenlosen Gelassenheit, die weiß, das alles was ist, gleichgültig ist. Der Sinn des Lebens? „Teppich verkaufen gut, deutsche Freundin gut, deutsche Frau heiraten nicht gut“, antwortet Hussein (Erkan Altun) auf diese Frage von Klaus Klaus. So einfach ist das heute.
Isabel Osthues' Inszenierung trifft diese eigentümliche Stimmung des Stückes exakt. Franziska Rasts karges und stimmiges Bühnenbild macht die Autowerkstatt zu einem Ort, der überall auf der Welt seine Tore öffnen könnte. Und an den darstellerischen Fähigkeiten des Ensembles gibt es nichts zu kritisieren. Allein: „Suzuki I + II“ ist amüsant und insgesamt doch belanglos. So zeitgenössich der Schnellschreiber Schipenko sich auch gerieren will, so deutlich merkt man dem Stück an, dass es außer der einen kleinen Idee vom Gebrabbel der Nationen kaum Substanz hat. Ein bisschen witzig, ziemlich absurd, ein paar skurrile Typen – das war's. Den gehaltvolleren „Rest“ sieht man sich besser bei Tarantino an. Franco Zotta
Die nächsten Aufführungen: 25. Februar, 3., 4., 11. März, 20 Uhr, Concordia. Karten: Tel. 365 33 33
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