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Das Herz schlägt links auf Mexikanisch

„Reflexionen einer Rebellion“ als Kritik am Neoliberalismus: In einem neuen Sammelband werden die Ideen der zapatistischen Bewegung in Mexiko diskutiert

Als „erste Revolution des dritten Jahrtausends“ beschrieb Carlos Fuentes den Aufstand der südmexikanischen Zapatistas, kurz nachdem die stets vermummten indianischen Rebellen in der Neujahrsnacht auf 1994 einige Städte im Bundesstaat Chiapas besetzt hatten. Seither sind sechs Jahre vergangen, und das Diktum des mexikanischen Schriftstellers hat sich in gewisser Weise bestätigt.

Begreift man „Revolution“ als ein Ausbrechen aus Denkmustern, dann war „Chiapas“ der Auftakt einer seither populärer gewordenen Bewegung, die das Paradigma ungebremster neoliberaler Modernisierung nach dem Untergang des real existierenden Sozialismus radikal in Frage stellt. Die Battle of Seattle gehört genauso in diesen Zusammenhang wie die Proteste, welche das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI) vorläufig auf Eis legten.

In einem Sammelband werden nun erstmals auf Deutsch die Ideen der Zapatistas und die Hintergründe des Aufstandes in einer anspruchsvollen Art und Weise umfassend diskutiert. Nach einigen einleitenden Beiträgen über die historische Entwicklung Chiapas’ und Mexikos konzentrieren sich die weiteren Artikel auf eher theoretische Fragestellungen. Zentrale Begriffe des zapatistischen Diskurses wie „Würde“, „Zivilgesellschaft“, „Macht“ und „Autonomie“ werden auf hohem Niveau diskutiert.

In einem weiteren Teil wird die Bedeutung strategischer Ressourcen wie der Biodiversität im Kontext der sozialen Ursachen der Rebellion diskutiert und die Strategien der Aufstandsbekämpfung verdeutlicht. Das Gros der AutorInnen stammt aus einem Spektrum der „akademischen Solidaritätsbewegung“ mit den Zapatistas. Die Herausgeber, der Politologe Uli Brand und die Ökonomin Ana Esther Ceceña arbeiten an der Uni von Frankfurt/Main beziehungsweise an der Nationalen Universität in Mexiko-Stadt.

Obwohl die ideologische Nähe zu den Zapatistas in keinem der Beiträge verschwiegen wird, sind pathetische Unterstützungsbekundungen erfreulicherweise die Ausnahme. Es geht den Autoren vielmehr darum, die zapatistischen Ideen einem deutschen Publikum zu erschließen. Eine „konsistente Theorie“ des Zapatismus soll auf diese Weise allerdings bewusst nicht konstruiert werden, wie die Herausgeber schreiben.

Für den Leser vielleicht am überraschendsten sind die Beiträge, die sich mit dem Macht- und Staatsverständnis der Zapatistas auseinandersetzten. In ihnen wird deutlich, dass die Rebellion tatsächlich ein neues politisches Projekt darstellt und weder als ein verzweifelter Aufstand von Modernisierungsverlierern noch als letztes Aufflackern der vom Avantgardegedanken geleiteten Guerilla in der Tradition von Che Guevara zu begreifen ist. Bei der Definition dieses Projekts steht ein Begriff im Mittelpunkt, der hierzulande eher im Umkreis von Kirchentagen als in Diskussionen der Linken auftaucht: „Würde“.

Dem Politologen John Holloway gelingt es, diese Kategorie materialistisch zu erden. „Würde ist die oft vergessene, zu oft unterschlagene Kehrseite dessen, was Marx Entfremdung genannt hat“, schreibt Holloway. So wird „Würde“ zu einem transzendierenden Begriff, der eine Klammer für soziale Kämpfe gegen die weltweite Logik des Kapitalismus und seine Durchsetzung durch staatliche Machtausübung bilden kann.

Das Buch wird sicher nicht die Auflage von Oskar Lafontaines „Das Herz schlägt links“ erreichen; wer sich allerdings mit einer ernsthaften politischen Kritik am Neoliberalismus auseinandersetzen will, die von einer realen sozialen Bewegung getragen wird, hat von diesem Band sicherlich mehr.

Bodo Kanzleiter

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